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Wenn Blogger zur Marke werden und Fans haben

Nirgends lassen sich die Herausforderungen von Social Media PR besser veranschaulichen als am Blogger.
Klaas Kramer | 23.04.2010
Im Netz haben alle prinzipiell die gleichen Startbedingungen. Ein Zugang ist spielend leicht zu haben und eine Blog-Website dank intuitiv einzurichtender kostenloser Systeme schnell aufgestellt.
Beim nächsten Schritt trennt sich Spreu vom Weizen: Was schreibt man? Wer nichts mitzuteilen hat, kann es gleich bleiben lassen. Wer nur missionieren will oder besserwisserisch auftritt, wird seinen Lesern auch keinen Gefallen tun.
Aha: die Leser.
Wie kommt man zu Lesern und wie hält man sie?
Lange hieß es: Wer relevanten Content liefert, verbreitet sich von selbst und gewinnt Leserschaft. Relevanz entsteht einerseits durch Inhalt, aber unbedingt auch durch die Form, denn wir wollen augen- und gehirnfreunlich am Bildschirm lesen.
Das untereinander vernetzen (Trackbacks, Blogrolls etc.) ist bekannt und bedarf keiner Erläuterung durch einen Markenexperten.
So so, Marke also.
Kommt es etwa drauf an, wer schreibt?
In der Tat – spätestens seit es einen Meta-Diskurs gibt über „die Blogosphäre“ und Veranstaltungen bei denen Social Media Akteure ihre Arbeit und deren Wirkung reflektieren.

Wer ist Marke?

Kurzum: eine Marke ist ein Blogger, wenn er automatisch neue Leser zieht – allein wegen des Namens.
Es gibt bei Bloggern auch so etwas wie eine Marktführerschaft oder besser Themenführerschaft, wobei die Themen selten speziell werden: vom Inhaltsspektrum breit, freilich mit Bezug zu aktuellen Einzelereignissen und deren Verdrahtung in Vergangenheit und Zukunft: Politik, Medienwandel, Verlagswirtschaft, Gesellschaftstrends, PR-Gaus.

Wer sich erhofft hat, ich würde jetzt ein paar bekannte Blogger markenanalytisch sezieren, den muss ich enttäuschen.
Wir haben es mit unterschiedlichen Charakteren zu tun, deren Eigenheiten um so deutlicher zum Ausdruck kommen, je bekannter und vernetzter sie sind.
Kurzes Eigenlob für meine gute Überleitung: Vernetzung.
Blogger-Markenerfolg bedingt sehr gute und dichte Vernetzung mit vielen aktiven Verbindungen zu ebenfalls gut vernetzten Menschen.
Ich weiß: zirkuläre Syntaktik hilft niemanden, Henne-Ei-Problem, wir wollen einfache Kausalsätze! Ich habe verstanden.
Ich komme in Zugzwang, eine Ursache zu markieren, bei der Noch-Nicht-Erfolgreiche ins Handeln kommen können. Das ist der Kunstgriff jeder Beratungsleistung und jedes Ratgebertextes.

Wie wird ein Nobody zur Marke?

Die Kontaktmöglichkeit ist nicht der Engpass. Tausende E-Book-Vertreter, von denen nicht wenige auch formal einen Blog haben, sammeln Follower. Dahinter steckt jedoch das alte Paradigma der Reichweite – eines möglichst großen Direct-Mail-Verteilers. So entsteht höchstens Masse. So entstehen niemals Verbindungen, die für eine Markenbildung relevant sind.
Wie gestaltet sich so eine Verbindung?
Wer hält sie durch welche Aktivitäten am laufen?
Genau wie in der von einem bekannten Blogger so genannten „Kohlen(wasser)stoffwelt“ kann der jeweils dichter Vernetzte nicht im gleichen Umfang Zeit in die Pflege einzelner Verbindungen investieren.
Das gilt jedoch ausschließlich für den Faktor Zeit.
Eine starke Marke ist in der Geber-Rolle. Ein gut vernetzter Blogger gibt, sonst wenden sich die Menschen nach und nach von ihm ab.
Wie genau dieses „Geben“ aus Sicht der Empfangenden aussieht oder was sie erwarten, kann durchaus unterschiedlich sein. Die einen erwarten einen Dialog auf Augenhöhe, weil sie sich selbst als ebenbürtig wahrnehmen. Sie arbeiten daran, selbst einmal so gut vernetzt zu sein. Andere geben sich mit einer passiven Konsumentenrolle zufrieden und bestätigen damit die Asymmetrie zwischen sich und dem Blogger.

Wie behandelt eine Marke Fans?

Wenn Blogger dank ihrer zahlreichen Vernetzungen zu Hubs werden, nehmen sie die Rolle von Alpha-Kommunikatoren ein.
Sie sprechen zu mehr Menschen, als sie Menschen zuhören können.
Twitter macht das Ganze selbst für den Anfänger auf einen Blick sichtbar: Wer vier- oder mehrstellige Followerzahlen hat und weit weniger, denen er selbst folgt, dem sprechen wir so eine herausragende Geber-Rolle zu. Er folgt keinem „Neuen“ mehr, weil „wer jetzt erst anfängt zu twittern und mich gerade entdeckt hat, kann mir nichts geben.“ – so sieht es jedenfalls aus.
Alpha-Blogger sind untereinander vernetzt und das reicht. Der vielbeschworene Dialog bleibt innerhalb des Kreises, wenn auch öffentlich lesbar. Kollaborationswilligkeit „nach unten“ ist selten vorhanden.
Praktisch ist es durchaus möglich, mit allen Fans einen Kontakt zu pflegen. Aber ist es auch zielführend? Wer sich und sein Geschäft bzw. seinen Status entwickeln will, umgibt sich mit Menschen, die schon dort sind, wo man erst hinmöchte. Auf Diskurse, die dort entstehen, wo man zwar herkommt, aber nicht mehr zurück will, lässt man sich nicht mehr ein.
Never look back!

Die Gratwanderung des Bloggers als Marke

Never look back? So einfach ist es nicht.
Hier zeigt sich, ob mit dem Erfolg auch die Persönlichkeit mitwächst, die eine Gradwanderung meistern lässt: weitermarschieren und dennoch die Follower nicht abhängen.
Es spielt überhaupt keine Rolle, ob der Blogger selbst eine Marke sein will oder nicht. Er ist es in den Augen der anderen. Ebenso wie andere Prominente (Schauspieler, Musiker, Schriftsteller) begibt sich der Marken-Blogger in Handlungszwang bei der Fan-Kommunikation.
Das „Geben“ bleibt eben nicht auf das Schreiben beschränkt, sondern setzt sich fort in der Antwort auf Kommentare, der Wertschätzung seiner Leser, der Beantwortung von Direct Messages.
Gemäß selbstauferlegtem Social Media Verständnisses sollte das selbstredend sein. Dazu gehört auch, abzuschätzen, welche Macht enttäuschte Fans haben können – als Mindestanforderung an die Markenführung.
Ich gehe davon aus, dass jeder Alpha-Blogger einen bewussten Umgang hat mit der Grenze zwischen der Kommunikation als Person öffentlichen Lebens und seines Privatlebens.
Von einer Person öffentlichen Lebens wird im Zeitalter von Social Media eine niedrige Kontaktschwelle erwartet. Vom Privatmenschen nicht.

Zum konkreten Kommunikationsverhalten in Social Media gibt und braucht es keine allgemein gültigen Regeln. Es gibt zivile Verhaltenssätze, die sich im Wechselspiel zwischen allgemeiner Erwartungen und der Haltung einer Persönlichkeit ausbilden.
Viele Blogger und Social Media Akteure des öffentlichen Lebens haben in den letzten Jahren ihre Verhaltensmaßstäbe veröffentlicht und müssen sich an denen messen lassen.
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Über Klaas Kramer

Vermittlung von Konzepten, Denk- und Handlungsmodellen für Bewusstwerdungsprozesse zur Vorbereitung auf künftige Herausforderungen im Marketing-Mana