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BITKOM warnt vor Stopp der Gesundheitskarte

Deutschland verliert international Anschluss. Derzeit erhält jeder Vierte seine Krankenakte nur zögerlich oder überhaupt nicht.
BITKOM | 22.10.2009
Berlin, 22. Oktober 2009
Der Bundesverband BITKOM warnt vor weiteren Verzögerungen bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Deutschland ist neben Spanien das einzige Land Westeuropas, das die Vernetzung im Gesundheitswesen noch nicht gestartet hat. „Für die Versicherten ist die elektronische Gesundheitskarte ein echter Gewinn. Die Patienten werden erstmals Herr ihrer Gesundheitsdaten, die Qualität der medizinischen Versorgung wird verbessert, die Kosten sinken“, sagte BITKOM-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer. „Bei einer Verzögerung bleiben die Patienten auf der Strecke. Wir schlagen vor, die Gesundheitskarte umgehend allen Bundesbürgern zur Verfügung zu stellen und Zusatzfunktionen wie die elektronische Patientenakte anzubieten.“ BITKOM fürchtet aus gegebenem Anlass, dass die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte nach dem Wechsel in der Regierungskoalition auf Eis gelegt wird. Entgegen anderslautender Informationen werden sich die Kosten für die Einführung der Gesundheitskarte nach BITKOM-Angaben bereits nach kurzer Zeit amortisiert haben. Scheer: „Wir rechnen mit Einsparungen zwischen einer und zwei Milliarden Euro pro Jahr durch die Gesundheitskarte.“ Allein durch die Vermeidung von Arzneimittelunverträglichkeiten und Wechselwirkungen sollen mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden.

Die bisherige Krankenversichertenkarte muss ohnehin ausgetauscht werden. Die alte Krankenversichertenkarte erfüllt nicht die heutigen Datenschutzstandards. Jedermann kann mit einem handelsüblichen Lesegerät die Karten ohne weiteres auslesen, weil die Daten unverschlüsselt auf der Karte sind. Das betrifft immerhin knapp fünf Millionen chronisch erkrankte Menschen, die freiwillig an besonderen medizinischen Programmen teilnehmen. Außerdem sind die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, neue Karten mit Lichtbild an die Versicherten ausgeben. Mit dem Foto des Versicherten soll Kartenbetrug vermieden werden. Wenn diese Gelegenheit zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte genutzt wird, entstehen kaum Mehrkosten. Denn die neue Prozessorkarte ist nur 70 Cent teurer als die Krankenkassenkarte. Dafür können die Versicherten dann ihre medizinischen Informationen verschlüsseln und entscheiden, wer welche Daten einsehen darf.

In einer aktuellen Studie hat das Meinungsforschungsinstitut Aris im Auftrag des BITKOM die Einstellung der Deutschen zur elektronischen Gesundheitskarte untersucht – und die ist überwiegend positiv. Die große Mehrheit der Bundesbürger (59 Prozent) spricht sich für die Einführung der Gesundheitskarte aus. Weitere zehn Prozent stehen ihr unentschlossen gegenüber. 69 Prozent möchten den direkten Zugang zu ihren Gesundheitsdaten. Scheer: „Dank der elektronischen Gesundheitskarte erlangen die Patienten erstmals die informationelle Selbstbestimmung über ihre Gesundheitsdaten – derzeit sind sie auf das Wohlwollen der behandelnden Ärzte angewiesen.“ Doch nicht alle Patienten erhalten ihre Behandlungsunterlagen. Jeder Vierte, der seinen Arzt nach der Krankenakte fragte, hat seine Unterlagen nur zögerlich oder überhaupt nicht bekommen. Von den älteren Menschen wagt es jeder zweite nicht, seinen Arzt überhaupt um seine Krankenakte zu bitten, obwohl er sie gerne hätte. Scheer: „Gerade ältere Menschen, die ärztliche Unterstützung am nötigsten brauchen, werden von der elektronischen Gesundheitskarte profitieren.“

Hintergrund: Die elektronische Gesundheitskarte enthält einen Mikroprozessor. Das unterscheidet sie von der Krankenkassenkarte, auf der nur ein Speicherchip eingebaut ist. Der Mikroprozessor ermöglicht die verschlüsselte Speicherung der Daten. Zudem bietet die neue Gesundheitskarte einen Zugang zur Gesundheitstelematik. Dank dieser intelligenten Infrastruktur können neue Dienste wie die elektronische Patientenakte angeboten werden. Darin können künftig die Untersuchungsergebnisse aller behandelnden Ärzte an einem geschützten Ort hochgradig verschlüsselt gespeichert werden. Dies verbessert die Position der Patienten. Denn mit der Gesundheitskarte können sie erstmals selbst entscheiden, wer ihre medizinischen Daten einsehen darf. Von den Notfalldaten abgesehen können Ärzte nur nach Freigabe durch die Patienten auf die Daten zugreifen. Mit der notwendigen Zustimmung durch die Patienten wird zugleich eine kommerzielle Nutzung von Gesundheitsdaten verhindert – etwa durch Krankenkassen oder Arbeitgeber.

Die elektronische Patientenakte erleichtert den Patienten zudem den Arztwechsel oder das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung. Aufgrund der lückenlosen Dokumentation können auch Fehlbehandlungen einfacher festgestellt und nachgewiesen werden als heute.

Ansprechpartner
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Pressesprecher
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Bereichsleiter Public Sector
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