print logo

Sechstes Herbstforum der Initiative Qualität

Wissenschaftler und Journalisten loteten am 10. Oktober in Berlin die Potenziale von Medienkritik und Medien(selbst)kontrolle aus.
Die Qualität des Journalismus hängt wesentlich davon ab, wie kritisch die Medien sich selbst
betrachten, wie transparent sie die eigene Branche darstellen und wie sie öffentlich mit Kritik
umgehen.

Am Rande der Veranstaltung gründeten Leseranwälte und Ombudsleute deutscher Zeitungsverlage eine Arbeitsgemeinschaft, in der Erfahrungen ausgetauscht
und neue Modelle entwickelt werden sollen, um Plattformen und Verfahren für den Umgang mit Leserbeschwerden zu schaffen.
Willi Steul betonte als Intendant des Deutschlandradios in einem Grußwort, wie wichtig die
kontinuierliche Qualitätssicherung für den Journalismus ist. Dabei komme auch der Medienkritik
eine wichtige Funktion zu. Bei einer Panel-Diskussion gaben Medienfachjournalisten Einblicke in ihre tägliche Arbeit. Dabei schilderten sie, ihr wichtigstes Ziel sei es, das Mediengeschehen
transparent abzubilden. Die Redaktionsleiter von epd medien und Funkkorrespondenz, Diemut Roether und Dieter Anschlag, berichteten, eine kontinuierliche und gründliche Analyse der Branche falle angesichts sinkender Etats und schrumpfender Redaktionen immer schwerer.

Ulrike Simon, die für die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau schreibt, kritisierte,
manchmal würden Medienseiten oder -magazine auch instrumentalisiert, um für eigene medienpolitische
Ziele zu kämpfen. Als Beispiel dafür nannten die Fachjournalisten bei der Expertendiskussion
Themen wie Rundfunkgebühren, Tagesschau-App oder auch der Verflechtung großer Medienkonzerne. Sissi Pitzer, die für das Medienmagazin des Bayerischen
Rundfunks verantwortlich ist, empfahl eine zurückhaltende Berichterstattung in eigener Sache.
„Man sollte einen Unterschied machen, wenn man selbst betroffen ist oder der Verdacht entstehen könnte, dass man vom eigenen Haus missbraucht wird“, warnte schließlich Ulrike Simon.

Tobias Eberwein, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Journalistik der
TU Dortmund mit dem Thema Medienkritik beschäftigt, erklärte, vor allem das Internet könne sich als wertvolle Aufklärungsplattform in Medienfragen erweisen. In vielen Fällen fehle es aber noch an geeigneten Angeboten, die zum Korrektiv werden könnten, wenn die Branche zu wenig oder verzerrt über sich selbst informiere. „Ich finde, dass viel zu wenig erklärt wird“, forderte Daniel Fiene, Medienfachjournalisten müssten noch konsequenter aus der Sicht der Mediennutzer berichten. Der Gründer des Blogs „Was mit Medien“ produziert unter anderem wöchentlich ein halbstündiges Audio-Magazin emen. Es gehe darum Zusammenhänge zu erklären. Genau dies aber sei schwierig, wenn es um komplexe Themen gehe, die Namen wie „Rundfunkänderungsstaatsvertrag“ oder „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“ tragen, wandte Dieter Anschlag ein.

Wie zeitgemäßer Journalismus in Zeiten von Web 2.0 und Online-Communities aussehen kann, zeigten in Berlin Céline Lauer und Silke Mülherr. Beide entwickelten in der Axel-Springer-Akademie Ideen und Konzepte, die beweisen, dass crossmediale Aufbereitung die journalistische Qualität verbessern kann. So zeigte etwa die Jungredakteurin Céline Lauer Beispiele für digitales Storytelling. Dabei werden Texte im Internet um Bild- und Audio-
Elemente angereichert. Hinzu kommen interaktive Grafiken und Flash-Animationen („Gamification“).
Silke Mülherr, die bei der Axel-Springer-Akademie als Volontärin arbeitet, stellte ein Online-Projekt vor, bei dem während der Fußballweltmeisterschaft 2011 Reportagen und Berichte allein auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Social-Media-Quellen erstellt worden waren. Twitter oder Facebook böten meist schneller vielfältigeres Material als dies andere Quellen könnten. Hinzu kämen geringe Kontaktkosten und ein große Transparenz durch Interaktionsmöglichkeiten – Social Media als wertvolle Ergänzung zu klassischen Quellen.

Wichtig für die journalistische Qualitätssicherung sind auch Kontaktstellen zwischen Publikum und Redaktionen. So haben inzwischen etwa zwölf deutsche Tageszeitungen sogenannte Leseranwälte oder Ombudsleute eingeführt. Dabei handelt es sich um Mitarbeiter oder externe Experten, die sich mit Leserbeschwerden auseinandersetzen oder die Inhalte
der eigenen Zeitung von sich aus kritisch überprüfen. Ihr Aufgabenspektrum reicht vom Leser-
Service über den Leser-Anwalt bis zum Schiedsrichter in rechtlichen Fragen. Anton Sahlender, der seit sieben Jahren Ombudsmann der Main-Post in Würzburg ist, hat seine Tätigkeit
inzwischen in mehr als 370 Kolumnen dokumentiert. Wichtig sei, dass Ombudsleute unabhängig
blieben, betonte er.

Kerstin Dolde, die in ähnlicher Funktion bei der Frankenpost in Hof arbeitet, sagte, es gehe vor allem darum, den Kontakt zu den Lesern nicht zu verlieren. Dies sei umso wichtiger in Zeiten, in denen viele Lokalredaktionen geschlossen würden. Heinrich Kintzi, der sich im Konfliktfall um einen Interessenausgleich für die Leser der Braunschweiger Zeitung kümmert, empfahl eine enge Zusammenarbeit zwischen Ombudsleuten und Redaktionen. Der niederländische Professor Huub Evers wies darauf hin, Ombudsstellen könnten den Verlagen oft auch gerichtliche Auseinandersetzungen ersparen.
Die am Rande der Veranstaltung gegründete neue Arbeitsgemeinschaft deutscher Presse-
Ombudsleute will gemeinsame Standards entwickeln. „Das dient der journalistischen Kultur“,
lobte Tagungsmoderator Werner Lauff. Auch Christian Höppner, der als Generalsekretär des
Deutschen Musikrates den RTL-Programmausschuss leitet, befürwortete einen Zusammenschluss
der Ombudsleute. Allerdings sei eine Ombudsstelle bei RTL derzeit nicht denkbar.

Fazit von IQ-Sprecherin Ulrike Kaiser: „Es kann gar nicht genügend über Qualität in den Medien
geredet werden, wenn es denn nicht beim Reden bleibt...“

Redaktion: Dr. Matthias Kurp
Eine Dokumentation des Fünften IQ-Herbstforums wird demnächst unter www.initiative-qualitaet.de
veröffentlicht.