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Vorsätzlich gemobbt und auf Verdacht gekündigt - Klarstellungen zum Rechtsschutz bei Verdachtskündigungen

Besprechung des BAG Urteils 2 AZR 961/06 vom 13.03.2008 zu den Voraussetzungen einer sogenannten Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber
1. Die verhaltensbedingte Verdachtskündigung in Mobbingsituationen

In der Vergangenheit wurden gemobbte Arbeitnehmer vom Arbeitgeber häufig unter Hinweis darauf personenbedingt gekündigt, dass sie als sogenannte „low performer“ deutlich weniger als ihre Kollegen leisten würden. In jüngster Zeit ist zu beobachten, dass gemobbten Arbeitnehmern häufig vorgeworfen wird, sie hätten durch Handlungen, die schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen regelmäßig sogar Straftaten darstellen, das Vertrauen des Arbeitgebers verspielt. Diese Arbeitnehmer werden dann von den Arbeitgebern mit einer sogenannten verhaltensbedingten Verdachtskündigung vor die Tür des Betriebes gesetzt. Es stellt sich dann die Frage nach der Wirksamkeit der seitens des Arbeitgebers ausgesprochenen Verdachtskündigung.

2. Rechtfertigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Nach ständiger Rechtsprechung kann bereits allein der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitnehmers abgeben. Statistisch nachweisbar greifen Arbeitgeber immer häufiger zum Instrument der Verdachtskündigung, wenn sie das Vertrauen in den Arbeitnehmer verloren haben. Sie machen dies regelmäßig dann, wenn der Arbeitnehmer gegen Arbeitsanweisungen, wie beispielsweise die Pflicht zur Quittierung für den Arbeitgeber empfangener Kundengelder verstößt, es aber unklar ist oder nicht nachgewiesen werden kann, ob dieser Verstoß aus unlauteren Motiven, wie dem Willen das Geld zu unterschlagen, oder aus Schluderigkeit erfolgte. Das Problem der Verdachtskündigung besteht darin, dass sie auch gegenüber Unschuldigen wirksam sein kann.

3. Wirksamkeit der Kündigung

Eine Verdachtskündigung ist deshalb nur dann wirksam, wenn sich starke Verdachtsmomente objektiv begründen lassen und der Arbeitgeber alles zur Aufklärung Erforderliche und Zumutbare getan hat. Der Arbeitgeber muss daher auch nach den Umständen forschen, die den Arbeitnehmer entlasten. Dies wiederum verlangt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Verdacht zu unterrichten hat und ihm Gelegenheit geben muss, zu seiner Entlastung eine Stellungnahme abzugeben. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer mit anderen Worten zum Verdacht anhören.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil 2 AZR 961/06 vom 13.03.2008 unter anderem entschieden, dass einem Arbeitnehmer auf sein Verlangen das Recht zusteht, bei seiner Anhörung zur arbeitgeberseitig beabsichtigten Verdachtskündigung einen Anwalt seiner Wahl beizuziehen. Dies wird in der Praxis erhebliche Konsequenzen zugunsten der Arbeitnehmer haben. Die Realität der bundesdeutschen Arbeitswelt besteht nämlich häufig darin, dass Arbeitgeber dem Arbeitnehmer oder dessen Anwalt mitteilen, der Anwalt dürfe an der Anhörung seines Mandanten durch den Arbeitgeber nicht teilnehmen. Diese Verweigerung der Teilnahme des Rechtsanwalts wird nunmehr regelmäßig zur Nichtigkeit der Kündigung führen. Dies vor folgendem Szenario.

4. Das Recht, einen Anwalt zur Anhörung hinzuziehen

Der Arbeitgeber hört den Arbeitnehmer zum gegen ihn gerichteten Verdacht an, ohne ihm die Beiziehung seines Anwalts zu gestatten. Der Arbeitnehmer wirkt an der Sachverhaltsaufklärung nun entweder gar nicht, oder nur unzureichend mit oder versucht das Verfahren zu verschleppen. Der Arbeitgeber wird nun die Kündigung aussprechen und sich in Unkenntnis der neuen Rechtsprechung darauf stützen, dass seiner Meinung nach den Anforderungen der Anhörung des Betroffenen genügt sei. Der betroffene Arbeitnehmer indes habe den gegen ihn gerichteten Vorwurf nicht entkräftet. Der Arbeitgeber wird dann regelmäßig vor dem Arbeitgericht, zu Recht, sein „böses“ Erwachen erleben. Ihm wird nun nämlich regelmäßig vorgehalten werden, dass allein die vom Arbeitnehmer begehrte Anhörung unter Anwesenheit seines Anwalts die formellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung erfüllt hätte. Die formell ordnungsgemäße Anhörung sei Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verdachtskündigung. Ein gut beratener Arbeitnehmer wird sich in Zukunft also dahin einlassen, dass er bereit war, sich zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen zu äußern, dies jedoch nicht tat, da er nur bereit war, mit anwaltlicher Unterstützung auszusagen.
Für die Anhörung zur Verdachtskündigung gilt daher in Abwandlung einer bekannten Werbesentenz, dass sie nicht ohne den Anwalt des Arbeitnehmers erfolgen muss.

Dr. jur. Frank Sievert
Rechtsanwalt

Hamburg, 04.10.2008

Kontakt:

Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Frank Sievert Alsterkamp 26, 20149 Hamburg

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