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Haftung des sich bewegenden Besuchers

Timo Schutt | 12.06.2013
Manchmal kommt es auch vor, dass sich Besucher gegenseitig verletzen. Ein etwas eigenartiger Fall hatte das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden: Ein später auf Schadenersatz verklagte Besucher steht an einem Stehtisch auf einer Party. Als er einen Fuß zurücksetzt, stolpert eine andere Besucherin darüber, die dicht hinter ihm vorbeigeht und verletzt sich.

Das Gericht musste nun entscheiden, ob derjenige, der am Stehtisch stehend einen Fuß zurücksetzt für den Sturz des anderen Besuchers haftet.

Zunächst: Das Gericht erkannte kein vorsätzliches „Beinstellen“; der Gast wollte lediglich während einer längeren Unterhaltung am Stehtisch sein Gewicht verlagern und versetzte dabei einen Fuß etwas nach hinten, ohne sich dabei umzuschauen.

Das Oberlandesgericht wies die Klage im Ergebnis ab – glücklicherweise, denn andernfalls dürfte man sich auf Partys gar nicht mehr bewegen, wenn man nicht gleich haften wollte.

Das Gerichte bemühte sich denn auch redlich, zu erklären, warum der versehentliche Beinsteller nicht hafte: Bei stehenden Personen sei nicht zu erwarten, dass sie still stehen bleiben. Weil die meisten Menschen auf Dauer nicht still stehen könnten, bewegen sie erfahrungsgemäß immer wieder ihre Beine, um deren Belastung gewichtsverlagernd auszugleichen. Sie versetzen mithin typischerweise auch ihre Füße, und zwar auch nach hinten, außerhalb ihres Gesichtskreises. Das sei allgemein bekannt, so das Gericht. Soweit derartige Bewegungen in einem engeren Bereich erfolgen, könne eine an einem Stehtisch stehende Person deshalb davon ausgehen, dass sich unmittelbar hinter ihr niemand aufhält oder nähert. Dieser engere Bereich sei jedenfalls regelmäßig dann nicht überschritten, wenn ein Gast an einem Stehtisch lediglich einen Fuß zurücksetze.
Im Juristendeutsch heißt das dann so: Es sei dem Beinsteller „nicht vorzuwerfen, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hätte, als er am Stehtisch stehend, einen Fuß zurücksetzte, ohne sich vorher davon zu überzeugen, dass sich nichts und niemand hinter ihm befand. Das Gesetz stelle zwar nicht auf die übliche Sorgfalt ab, sondern verlange die verkehrserforderliche Sorgfalt. Diese erforderliche Sorgfalt sei aber auch sozialbezogen, wie die Worte „im Verkehr“ zeige. Das Gesetz verlange die normale Vorsicht, kein Übermaß an Sorgfalt“, so das Oberlandesgericht Hamm.

Fazit
Die Tatsache, dass Menschen nicht still stehen, hat auch die Wissenschaft erkannt, wenn es um Besuchermassen geht. Wenn schon ein einzelner Mensch nicht still steht, steht auch eine Gruppe von Menschen nicht still, sie bewegt sich leicht schwingend hin und her. Damit benötigt die Gruppe insgesamt mehr Platz, als wenn sie nur still und gerade stehen würde. Fehlt der Platz, bspw. weil die Bewegungsmöglichkeit durch eine Mauer oder durch weitere (insbesondere gegenläufige) Besucherbewegungen eingeschränkt ist, kann es entweder zu befürchtenden „Schockwellen“ kommen, bei denen man sich kaum noch auf den Beinen halten kann, bzw. insbesondere seitlich stehende Besucher können selbst nicht mehr seitlich sich bewegen und werden zwischen der Mauer bzw. gegenläufigen Bewegung und der eigenen Gruppenbewegung eingeklemmt.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht