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Strenger Datenschutz auch bei privater Überwachungskamera

Timo Schutt | 17.12.2014
Die Videoaufzeichnung mit einer Überwachungskamera, die von einer Person an ihrem Einfamilienhaus angebracht wurde und auf den öffentlichen Straßenraum gerichtet ist, fällt nach einem Urteil des Europäischen Gerichthofes (EuGH) unter den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten und unterliegt damit strengen Anforderungen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit. Das berechtigte Interesse, Eigentum, Gesundheit und das Leben von sich selbst und seiner Familie zu schützen, ist bei der Abwägung der Zulässigkeit aber zu berücksichtigen.

Der Entscheidung liegt eine kuriose Geschichte zugrunde:

Ein Tscheche und seine Familie waren wiederholt Ziel von Angriffen durch Unbekannte. Die Fenster ihres Hauses wurden mehrfach eingeschlagen. Als Reaktion auf diese Angriffe brachte er an dem Haus seiner Familie eine Überwachungskamera an, die den Eingang des Hauses, den öffentlichen Straßenraum sowie den Eingang des gegenüberliegenden Hauses aufzeichnete. Tatsächlich wurde in der Folge eine Fensterscheibe seines Hauses beschossen und zerstört. Die der Polizei übergebenen Aufzeichnungen der Überwachungskamera ermöglichten die Identifizierung von zwei Verdächtigen, gegen die Strafverfahren eingeleitet wurden. Einer der Verdächtigen beanstandete beim tschechischen Amt für den Schutz personenbezogener Daten die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der von der Überwachungskamera aufgezeichneten Daten. Das Amt stellte fest, dass der Hauseigentümer tatsächlich gegen die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten verstoßen habe, und verhängte eine Geldbuße gegen ihn. Das Amt führte aus, dass die Daten des Verdächtigen ohne seine Einwilligung aufgezeichnet worden seien, obwohl er sich im öffentlichen Straßenraum aufgehalten habe, also auf dem Teil der Straße, der sich vor dem Haus befinde.

Das Oberstes Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik wollte jetzt vom EuGH wissen, ob die Aufzeichnung, die der Hauseigentümer vorgenommen hat, um sein Leben, seine Gesundheit und sein Eigentum zu schützen (also die Aufzeichnung personenbezogener Daten von Personen, die sein Haus vom öffentlichen Straßenraum aus angegriffen haben), eine Datenverarbeitung darstellt, die nicht von der Richtlinie erfasst wird, weil die Aufzeichnung von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wurde. Denn dann greift eine ausdrückliche Ausnahme in der Richtlinie, die ihre Anwendung verbietet.

Der EuGH hat jetzt entschieden, dass die Ausnahme, die in der Richtlinie für die Datenverarbeitung vorgesehen ist, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird, eng auszulegen sei. Daher könne eine Videoüberwachung, die sich auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten verarbeitet, nicht als „ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit“ angesehen werden.

Das nationale Gericht müsse aber bei der Anwendung der Richtlinie berücksichtigen, dass ihre Bestimmungen die Möglichkeit eröffnet, das berechtigte Interesse des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen, das Eigentum, die Gesundheit und das Leben seiner selbst und seiner Familie zu schützen, zu würdigen. Insbesondere dürfe die Verarbeitung personenbezogener Daten unter anderem dann ohne Einwilligung der betroffenen Person erfolgen, wenn sie zur Verwirklichung des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen erforderlich ist. Zudem müsse eine Person nicht über die Verarbeitung ihrer Daten informiert werden, wenn dies unmöglich ist oder unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Schließlich könnten die Mitgliedstaaten die in der Richtlinie vorgesehenen Pflichten und Rechte beschränken, sofern eine solche Beschränkung für die Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig ist.

(EuGH, Urteil vom 11.12.2014, Aktenzeichen C-212/13)

Unsere Meinung

Was bedeutet das Ganze jetzt auf Deutsch? Im Kern sagt das Gericht, dass immer dann, wenn eine auf privatem Grund angebrachte Kamera auch den öffentlichen Raum (mit) überwacht, das Datenschutzrecht anzuwenden ist und dann eine strenge Prüfung der Rechtmäßigkeit der Überwachung vorzunehmen ist.

Zwar ist bei dieser Prüfung auch das berechtigte Interesse desjenigen, der die Kamera betreibt, zu berücksichtigen. Aber, wenn er beispielsweise keinen konkreten Anlass hatte, die Überwachung vorzunehmen, weil bspw. noch nie etwas bei ihm passiert ist oder die Wohngegend allgemein nicht übermäßig von Einbrechern Dieben etc. heimgesucht wurde, dann hat er schlechte Karten. Denn eine rein präventive Überwachung nach dem Motto „Es könnte ja mal irgendwann etwas passieren“ würde nicht reichen.

Merke also: Die tollste Aufzeichnung eines Einbrechers bringt nichts, wenn sie als Beweis nicht verwertet werden kann. Eine rechtswidrige Videoaufzeichnung ist als Beweismittel nicht zulässig.

Was also tun? Wenn kein konkreter Anlass besteht für eine Videoüberwachung, dann muss darauf geachtet werden, dass nur das eigene Grundstück von der Kamera erfasst werden kann. Ist auch nur teilweise ein fremdes Grundstück oder gar der öffentliche Straßenraum zu sehen, dann führt das zur Rechtswidrigkeit der gesamten Aufzeichnung.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht