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CX Management braucht Purpose – oder nicht?

Für Unternehmen lohnt es sich, sich mit den Konzepten auseinanderzusetzen und auf ihre Relevanz für den persönlichen Praxisalltag hin abzuklopfen.
Peter Pirner | 30.08.2021
Der praktische Wert von Purpose, CX Vision und CX Strategie für das CX-Management © Freepik
 

In der CX Community werden in schöner Regelmäßigkeit drei Buzz Words ventiliert: Purpose, CX Vision und CX Strategie, gerne auch in allen denkbaren Kombinationsmöglichkeiten. Dabei erfüllen sie nicht nur ihren Zweck als zurecht beliebte Felder in jedem anständigen Bullshit Bingo. Sie sind – richtig verstanden und verwendet – tatsächlich auch notwendige Voraussetzung für erfolgreiches CX Management. Für Unternehmen, damit meine ich sowohl das Management als auch die Mitarbeiter, lohnt es sich daher, sich mit den Konzepten auseinanderzusetzen und auf ihre Relevanz für den persönlichen Praxisalltag hin abzuklopfen.

 

Vom Sinn des Purpose

Los geht’s mit dem Purpose - der Mutter aller Fragen. Wofür sind Unternehmen eigentlich da? Um Geld zu verdienen? Das ist eindeutig zu kurz gesprungen!  Ihre persönliche Daseinsberechtigung liegt ja auch nicht darin, Geld und immer mehr Geld zu verdienen, um dann im Goldspeicher wie Dagobert Duck zu schwimmen. Das ahnt selbst der hartnäckigste Hardcore Kapitalist. Geld ist Mittel zum Zweck – also Mittel zum Purpose sozusagen. Und damit sind wir zurück auf Anfang.

 

In Unternehmen stellt man sich nicht zuletzt dank Simon Sineks berühmten TED Talk „Start with Why“ heute ganz selbstverständlich die Frage nach dem Warum. Allen Ansätzen, die ich gesehen habe, ist gemein, dass der beabsichtigte Nutzen für den Kunden im Vordergrund steht. LinkedIn’s Purpose ist z.B.: „To connect the world's professionals to make them more productive and successful“. Oder Google: „To organize the world's information and make it universally accessible and useful.“ Oder bleiben wir mal in Deutschland. Sogar das Münchener Hofbräuhaus, das als Marke sehr professionell und global geführt wird, hat seinen Purpose tatsächlich ebenfalls definiert: „Geselligkeit“.

 

Häufig sind es eher Nischenanbieter, die dann auch noch persönliche Werte oder einen expliziten moralischen Anspruch in den Purpose mit einbringen. Diese sind in der Regel stark von den Gründern und deren Wertesystem geprägt. Ben & Jerry’s früherer Purpose war to “make the best possible ice cream in the nicest way possible”. Das beste Eis für die Kunden und dazu ein hoher Nettigkeitsfaktor, der gleichermaßen nach Außen und nach Innen wirkt.  Ben & Jerry wollten eben auch lieber in ihrem eigenen Laden mit netten Leuten arbeiten.

 

Der Purpose wirkt nach Innen und nach Außen

Purpose darf und soll also gegenüber den Mitarbeitern Sinn stiften, den Rahmen setzen. Der Purpose muss allerdings dann auch konsistent nach Innen und nach Außen gelebt werden, sonst bleibt das Makulatur.

Oatly, eine erfolgreiche kleine Hafermilchmarke aus Schweden mit hohem Anspruch ans eigene ökologische und gesellschaftliche Wohlverhalten wird, seit sie mit BlackRock einen neuen Investor gewonnen hat, zumindest von Teilen ihrer Käuferschaft (und vermutlich auch ihrer Mitarbeiter) in einem anderen Licht gesehen. Zeit für die Neudefinition des Purpose? Schließlich hat auch Unilever bei Ben & Jerry’s nach der Übernahme nachgesteuert, um ein angepasstes Verständnis für Marke und Unternehmen zu schaffen.

Wir können aber bereits hier festhalten, dass der Purpose durchaus Sinn für Kunden und Mitarbeiter machen kann, weil er Klarheit schafft. Er definiert auch den Rahmen für die CX Vision und die CX Strategie.  Manchmal ist im Purpose – wie z.B. im Falle von Ben & Jerrys – meiner Meinung nach die CX Vision bereits definiert. „Das beste Eis von netten Menschen“. Dann kann man sich die Vision fast schon sparen.

 

Die CX Vision ist kein Purpose

Die CX Vision bezieht sich nämlich im Gegensatz zum Purpose ausdrücklich NUR auf das angestrebte Kundenerlebnis und muss nicht unbedingt auch noch Werte transportieren. Dafür haben wir ja bereits den Purpose. Die CX Vision sollte dem Purpose aus Konsistenzgründen nicht entgegenstehen.

Um eine ideale Kundenerfahrung in der Vision überhaupt erst formulieren zu können, muss man seine Kunden und deren Bedürfnisse wirklich kennen. Vergoldete Rindersteaks, wie sie Frank Ribery so schätzt, sind für die Mehrheit von Steakessern sicher nicht besonders attraktiv. Der Mittagstisch der Metzgerei Oberhuber würde deshalb wohl kaum derartige Extravaganzen anbieten. Wozu auch (Achtung Purpose!)?

Ist meine Vision aber als Promigastronom „außergewöhnliche Esserlebnisse für Menschen zu schaffen, die alles haben und dies mit der Welt teilen wollen“ würde ein solches Blattgold-Restaurant sicher den erfolgreichen Fußballer und sicher auch die Geissens erfolgreich beglücken. Den anderen bleibt immer noch zielgruppengerecht das örtliche Steakhaus oder der Weber Grill.

Diese Klarheit („für wen machen wir das eigentlich alles?“) geht einher mit einer klaren Vorstellung davon, was sich diese Kunden wünschen bzw. was sie erwarten. Eine CX Vision, die das nicht berücksichtigt, kann direkt in die Tonne wandern. Unternehmen müssen sich die Mühe machen, eine klare Zielvorstellung ihrer gewünschten Brand Delivery zu formulieren. Denn daran richtet sich dann die Strategie und damit (hoffentlich) auch die gesamte Organisation aus.

Häufig ist die Vision aber recht nebulös formuliert. Dann muss zumindest eine klare und unternehmensweit gültige Interpretation der Vision mitgeliefert werden. Wenn jeder die CX Vision nach eigenem Gutdünken auslegen kann, darf auch dieses Konzept getrost das Zeitliche segnen, am besten bevor die CX Strategie darauf basierend entwickelt wird.

 

Die CX Strategie muss klar formuliert sein

Strategie - ich weiß schon. Vielen stellen sich bei dem Begriff jetzt die Nackenhaare auf, weil im Unternehmensalltag auch die Strategie gerne etwas nebulös daherkommt – strategisch halt. Und wer das nicht versteht, wird gerne als Kleingeist verkannt. Oft gibt es eine konkret definierte Strategie im Unternehmen, aber bis sie beim Einzelnen ankommt, ist sie verwässert und hat an Konsistenz verloren. In hierarchischen Unternehmen traut sich eh keiner genau nachzufragen. Die gesamte Kommunikationskette wird dann mit einem schwer verständlichen, zum Teil widersprüchlichen oder nicht vollständigem Konzept nach dem „Stille Post“-Prinzip beglückt.

Eine gute CX Strategie erkennt man daran, dass sie die CX Vision aufgreift und einen Plan entwickelt, wie Unternehmensressourcen genau in die Aktivitäten geleitet werden, die die Erwartungen der definierten Kernzielgruppe erfüllen oder besser noch übertreffen helfen. Unverzichtbar sind in diesem Zusammenhang auch eine Gap Analyse („was fehlt uns noch dafür?“), ein Zeitplan sowie klare Verantwortlichkeiten.

Die CX Strategie ist idealerweise so verständlich, dass jede Fachabteilung versteht, warum Mittel für die eine Investition bereitstehen und für andere, z.B. die eigenen, gekürzt werden. Dann nimmt man auch bei größeren Veränderungen die Organisation mit. Durch ein KPI System sollte unbedingt mitverfolgt werden, ob man sich in die richtige Richtung bewegt.

Eine gute CX Strategie ist konkret, realitätsnah und realistisch umsetzbar. Sie ist auch ausreichend komplex. Der Kauf einer Voice of the Customer Software ist keine Strategie, aber ein möglicherweise sehr wichtiges Teilelement davon. Den Kontext muss der Stratege schon noch mitliefern.

Wichtig bei der Umsetzung ist Kommunikation und Geduld. Ich habe schon sehr gute CX Strategien wieder vor der Umsetzung verschwinden sehen, weil man nicht den langen Atem für die Umsetzung mitbringen wollte. Dann macht man halt „das mit den Fähnchen“.

Auch wird man damit leben müssen, dass nicht jeder in der Organisation die planerische Schönheit einer gelungenen CX Strategie in jedem Augenblick nachvollziehen kann. Dann muss man das eben nochmal und nochmal und nochmal erklären. Auch das ist nicht Anzeichen für eine schlechte Strategie, sondern leider in den meisten Fällen eine kommunikative Notwendigkeit. Also liebe Strategen, dranbleiben! Es lohnt sich.

Denn eins ist sicher: Unternehmen, die konkret sagen können, warum sie ihre Kunden (der Purpose) mit welchen Leistungen zukünftig beglücken wollen (die CX Vision) und auch bereits einen Plan haben, wie sie da ganz konkret hinkommen (die CX Strategie), sind schon mal erstklassig im Sinne des Customer Experience Managements aufgestellt.