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In 8 Schritten zum guten Schreibstil

Schreiben ist Handwerk, keine Kunst. Mit diesen Regeln verbessern Sie Ihren Schreibstil und schaffen Texte, die verstanden und gerne gelesen werden.
Christoph Fasel | 21.11.2022
Wie man Texte schreibt, die gerne gelesen werden. © Freepik / jcomp
 

Schreiben ist keine Kunst. Sondern ein Handwerk. Das ist gut so. Denn ein Handwerk funktioniert nicht nach Intuition oder Begabung, sondern nach Regeln. Solche Regeln geben uns die Erkenntnisse aus zweieinhalbtausend Jahren Rhetorik. Und die Ergebnisse der Leseforschung der letzten Jahrzehnte. Das Schöne an diesen Einsichten und Erkenntnissen: Sie lassen sich lernen.

Als gut bezeichnen wir Text stets dann, wenn er von den Menschen, für die er gedacht ist, gern gelesen und gut verstanden wird. Es geht also in unseren acht Schritten um eine Sprache, die

  • verständlich
  • präzise,
  • schlank und
  • gefällig


ist und vor allem eines tut: Verständnis schaffen.

Die folgenden acht Schritte können Ihnen als Merksätze helfen, sich den Weg zu klarem und verständlichem Stil zu eigen zu machen.

Schritt 1: Wählen Sie das richtige Wort: Nicht den allgemeinen Ausdruck, sondern stets den konkreten Begriff suchen.

In Paris steht schließlich nicht die weltgrößte vertikale Gusseisenstruktur, schließlich auch nicht einfach eine Metallkonstruktion, sondern der Eiffelturm. Lassen Sie dicken Wörtern, die den Text aufplustern, die Luft heraus. Suchen Sie stets die kleinste und anschaulichste Einheit, das konkrete Wort: nicht Gebäude, sondern Reiheneckhaus, nicht Südfrüchte, sondern Ananas oder Orange.

Verbannen Sie aufgeblasene Wörter und Abstrakta wie Ebene, Bereich, Struktur oder Kategorie. Verschonen Sie ihren Leser vor Modewörtern, Marketingphrasen, Werbesprache und Fachjargon. Denn schließlich soll Ihr Text verstanden werden .- und geliebt.

Schritt 2: Wie man schlank und zupackend schreibt: Vermeiden Sie aufgeblasene Begriffe und Passiv.

Erzählen Sie Ihrem Leser Handlungen in Verben. Also schreiben Sie lieber „ein Volksfest feiern“ statt „die Begehung einer öffentlichen Festivität“. Sprechen Sie nkicht vom „wänderfreien Großraumwohnen in ehemaligen Fabriketagen“, wenn Sie schlicht ein Loft meinen. Meiden Sie unnötige Passiv- und Partizipialkonstruktionen. Beide sind umständlich und damit ein Lesehindernis. Eines unbedingt meiden – solch schauerliche Konstruktionen wie „Inerwägungziehung“.

Schritt 3: Bitte lassen Sie den Amtsschimmel auf der Weide – und nicht in Ihren Stil.

Bitte beachten Sie den Unterschied zwischen geschriebener und gesprochener Sprache. Und: Bitte sprengen Sie Hauptwörterketten, das Haupt-Merkmal des Bürokratenstils: Also bitte statt: „Das Nichtbeachten dieser Vorschrift hat Bestrafung zur Folge“ lieber „Wer gegen diese Vorschrift verstößt, wird bestraft“ – oder, noch besser: „Wer nicht hören will, muss fühlen!“ Denn Beamtendeutsch ist die Sprache der Obrigkeit – und nicht die des aufgeklärten Bürgers. Es ist ebenso unattraktiv wie unemotional  für jeden Leser – und obendrein schwer zu verstehen

Schritt 4: Vorsicht vor Eigenschaftswörtern!

Nur dann benutzen, wenn sie etwas Neues oder zur Unterscheidung hinzufügen, was der Leser wissen muss. Denn Eigenschaftswörter vermitteln meist keine Informationen – es fehlt ihnen der Maßstab des Vergleichs. Denn was ist groß, klein, dick, dünn? Besser als Adjektive sind Vergleiche, Zahlen, Daten, Metaphern, Symbole, Bilder.

Grundregel für das Schreiben: Beim Durchlesen jedes zweite Adjektiv oder Adverb aus dem Text streichen! Das macht den Text schlanker, straffer, und versBesonders hässlich, auch wenn lustig gemeint: Konstruktionen wie der „fettarme Wurstwarenvertriebsleiter“ oder Silbenschleppzüge wie der „nichtendenwollende Beifall“!

Schritt 5: Vermeiden Sie Umschreibungen – und lassen Sie Verben sprechen.

„Überlegen“ oder „planen“ sind immer besser als die Bläh-Konstruktion „in Überlegungen eintreten“ oder „den Planungsprozess beginnen“. Bitte schreiben Sie lieber „bearbeiten“ statt „eine Sache in Bearbeitung nehmen“. Vorsicht auch vor aufgeplusterten Hauptwörtern: Es heißt besser „Frage“ statt „Problem“ oder „Problematiken“ oder gar „Problembereiche“. Hässlich auch die „Problembereichslösungsversuche“.

Schritt 6: Erzählen Sie in kurzen Sätzen – mit höchstens einer Unterordnung.

Bitte ordnen Sie nur einen Nebensatz unter; bauen Sie keine Stopf- und Klemmsätze. Lassen Sie kurze Hauptsätze und solche mit einer Unterordnung abwechseln. Längere Sätze mit Hilfe von Gedankenstrich, Semikolon und Komma gliedern. Merke: Am besten keinen Satz über 18 bis 20 Wörter bauen. Längere Sätze werden nach den Erkenntnissen der Leseforschung für die meisten Leser schwer verständlich.

Schritt 7: Achtung bei Fremdwörtern und Denglisch!

Viele Wörter des Deutschen stammen aus anderen Sprachen. Das ist gut so. Viele Wörter kommen mit der bezeichneten Sache in unsere Sprache. Und international gültige Bezeichnungen helfen auch dem Verständnis unter den Menschen in verschiedenen Ländern. Allerdings gilt: Weil Fremdwörter manchmal zu Modewörtern mutieren, drohen Worthülsen. Begriffe wie „kreativ“ – möglichst noch mit „c“ – oder „innovativ“ tauchen dann plötzlich in allerhand Zusammenhängen auf – dann mag man sie schließlich nicht mehr lesen. Denn vor das überraschende Wort fesselt den Leser, nicht das modische, formel- und floskelhafte. Das gilt auch für „Denglisch“: Nicht alle Konstruktionen werden von unseren Lesern verstanden. Viele Deutschen übersetzen einen Werbespruch wie „Powered by Emotion“ mit zweifelhaften Sätzen wie „Kraft durch Freude“... Für das Schreiben gilt daher, wie der Philosoph Georg Christoph Lichtenberg es schrieb: „Wenn man einen Ochsen schlachten will, so schlägt man ihm grade vor den Kopf!“ – am besten mit einem verständlichen Wort, nicht einem in Denglisch.

Schritt 8: Wider Pathos, Vernebler und Vertuscher: Fangen Sie Ihren Leser mit Gefühl durch Lakonischen Schreibstil

Der redliche Schreiber ist Übersetzer für seinen Leser. Und zwar ein möglichst guter. Wir sollten, wenn wir schreiben, nicht dem Jargon der Wissenschaftler, Wirtschaftler oder Politiker kritiklos folgen. Also: Es heißt nicht „Anlage zum thermischen Recycling“, sondern „Müllverbrennungsanlage“, nicht „Entsorgungspark“, sondern „atomare Wiederaufbereitungsanlage“, nicht „Kollateralschaden“, sondern „tote Zivilisten“, nicht „Havarie“, sondern „Katastrophe“ – wenn es denn eine war.

Es gilt: Wenn unsere Sätze den Leser nicht mit Emotionen fesseln, ist er für uns verloren. Denn Gefühl und Verstand wollen durch einen Text, der gelesen werden will, gleichermaßen angesprochen sein. Doch die Überflutung mit Wörtern aller Sorten dröhnt im digitalen Zeitalter auf den Menschen ein – und verschließt ihm oft Auge und Ohr.

Es gibt jedoch einen Sprachstil, der in der Kakofonie der Medienwelt von heute gerade deshalb gehört wird, weil er den Gesetzen der Lautstärke und des Tschingderassabum der Werbung nicht folgt: Es ist der lakonische Stil, der bis auf die antike Rhetorik zurückgeht und der Sprachstil großer Dichter und Denker ist.

Ein Beispiel mag das zeigen: In der Einladung zu einem Kongress heißt es im Original:

„Im Mittelpunkt des Kongresses stehen drei Problemkreise: Die technische Realisierbarkeit neuer audiovisueller Kommunikationsmittel in ihrer jeweiligen Relation zur wirtschaftlichen Praktikabilität und zur kundenseitigen Akzeptanz,“

Wie aber wäre es, wenn wir in diesem Text erstens Blähungen in der Sprache, („Im Mittelpunkt des Kongresses“), zweitens aufgedunse Adjektive („kundenseitig“) und drittens Nominalstil  („wirtschaftliche Praktikabilität)“ einfach rausschmeißen und Unverstänliches durch klare Wörter ersetzen? Dann lautet der Text im sogenannten lakonischen Stil:

„Der Kongress will für die neuen Medien klären, was die Technik kann, was die Wirtschaft will und was die Leute mögen.“

Ohne den Klingklang und Bombast von Pathos, Kitsch und „Schreistil“ (Ludwig Reiners) vermittelt dieser Lakonische Stil Klarheit, Verständlichkeit und Wärme. Eine gute Art also, Gedanken und Gefühle in Wörter zu fassen. Viel Freude dabei!

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Über Christoph Fasel

Reporter beim Stern und Chefredakteur des deutschen Reader’s Digest. Absolvent und ehemaliger Leiter der Henri-Nannen-Schule in Hamburg.

Kommentare

Roger Hausmann

Wechseln Sie die Perspektive und schreiben Sie aus der Sicht der Leserinnen und Leser. Die wollen nicht wissen, wie schnell der neue Prozessor getaktet ist – sie wollen verstehen, was sie davon haben. Bringen Sie den Kundennutzen einfach und leicht verständlich auf den Punkt. Ohne Holzhammer. Guter Content ist der beste CTA.

Tim Jaschke

Verständliche Sprache erfordert klare Satzzeichen: Nutze. Mehr. Punkte. Sie grenzen Aussagen logisch voneinander ab. Sie verstärken Aussagen und verschaffen Leser:innen kurze Verschnaufpausen. Punkte sind kraftvoll, final und schaffen Struktur. Nicht nur bei Leser:innen. Sondern vor allem bei Schreibenden.

Werner T. Fuchs

Einem Mann wie Christoph Fasel ins Regelwerk zu pfuschen, ist eine moderne Variante von Hybris. Daher nehme ich gleich vorweg, dass ich alle 8 Fasel-Schritte gutheiße. Allerdings bin ich der Meinung, dass alles, was Stil hat, Kunst ist. Egal, auf welchem Gebiet. Und der Weg zur Meisterschaft führt immer über das Beobachten, Kopieren, Variieren und Üben. Der eigene Stil ergibt sich dann von selbst.

Michael Otto

Klare Sprache wirkt. Dazu gehört eben auch, dass konkrete Begriffe dafür sorgen, dass Leserinnen und Leser sofort verstehen, wovon unser Text spricht. Trotzdem empfehle ich als Copywriter, gelegentlich mit einer Prise „Aufplustern“ zu trumpfen. Gerade, wenn es dem lesenden Publikum ein Schmunzeln entlocken könnte. Beispiel: „Letzte Woche besichtigten wir den Eiffelturm. Sie wissen schon, diese eine weltgrößte vertikale Gusseisenstruktur mitten in Paris.“

Günter Heini

Sehr gute Punkte. Schon die ersten beiden Sätze sind klasse. 


Schreiben ist keine Kunst. Sondern ein Handwerk. 


Exzellent ist auch das Beispiel am Ende des Artikels, als die Einladung zum Kongress um Welten verständlicher formuliert wird. So: "„Der Kongress will für die neuen Medien klären, was die Technik kann, was die Wirtschaft will und was die Leute mögen.“