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Vorfahrt Vertrieb!

Oder weshalb System und nicht Talent im Verkauf erfolgreich macht!
Jens Löser | 29.06.2023
© Jens Löser
 

In den letzten zehn Jahren habe ich oft versucht in meinen Keynotes „schlechte Laune“ zu verbreiten. Weshalb? Naja, weil ich auf meine Eingangsfrage „Wie läuft`s bei Euch im Vertrieb?“ immer dieselbe Antwort bekommen habe. „Sehr gut!“ Nicht mit ausgesprochen wurde der zweite Teil der Antwort. „Und deshalb frage ich mich ernsthaft, weshalb hier heute derLÖSER auf der Bühne steht und uns etwas über Erfolg im Vertrieb erzählen soll? Schau dir unsere Zahlen an, wir sind schon erfolgreich!“

Erfolg im Vertrieb nur allein von Abschlusszahlen abhängig zu machen, ist zu kurz gedacht. Zu oft bin ich Zeuge einer sehr opferlastigen (Miss-)Erfolgsformel im Vertrieb. Diese lautet:


Gute Zahlen = gute Arbeit
Schlechte Zahlen = schlechte Rahmenbedingungen

 

Ob wir viel oder wenig verkaufen, liegt vielleicht zu fünfzig Prozent in unserer Hand. Die anderen fünfzig Prozent bestimmen Rahmenbedingungen, die ich oft nicht beeinflussen kann. Corona, Lieferfähigkeit, Konjunktur, Krieg, Sanktionen, Zinsen, … die Liste kann jeder gerne selbst branchenindividuell ergänzen. Viele Menschen im Vertrieb verwechseln gute Verkaufszahlen mit professioneller Vertriebsarbeit. Ihr Credo lautet: „Stimmen die Zahlen, stimmt alles!“ In vielen Branchen haben in den letzten Jahren förderliche Rahmenbedingungen diese Maxime noch unterstützt. Wieder einmal „Pech beim Denken“! 

 

Vertriebsalltag: Ist dringend vor wichtig richtig? 
Ich kann als Verkaufsleiter zwar keine Vertriebsergebnisse steuern, aber die Aktivitäten meiner Verkäufer. Ein Beispiel: Ein B2B-Verkäufer hat im Kern drei Aufgabenbereiche:

  • Betrieb – Ware bestellen oder interne Abstimmung, …
  • Operativer Vertrieb – aktuelle Verkaufsvorgänge, wie Angebote erstellen oder Auslieferungen organisieren, …
  • Systematische Vertriebsarbeit – Akquise, Verkaufssystem entwickeln, …


Die meisten Verkäufer betreiben keine systematische Vertriebsarbeit, denn sie beginnen den Tag mit den ersten beiden Punkten. „Dringend vor Wichtig“ ist ihr Ansatz oder „Vertrieb mache ich, wenn ich mit Betrieb fertig bin!“ Er wird nur leider nicht fertig und Wichtiges, wie Akquise oder Bestandskundenpflege bleibt somit auf der Strecke. Meine Formel für Vertriebserfolg ist deshalb an den vertrieblichen Aktivitäten orientiert, denn diese kann ich beeinflussen. Sie lautet: Wenn ich 1. das Richtige, 2. richtig oft und 3. richtig gut mache, wird unter den aktuellen Rahmenbedingungen das bestmögliche Vertriebsergebnis erzielt. Ob das 80 oder 180 Prozent Zielerreichung sind, hängt von den Rahmenbedingungen ab. Ich kann eben nicht einhundertprozentig meine Ergebnisse beeinflussen, aber ich kann einhundertprozentig meine Aktivitäten steuern. Klar, im Vertrieb gibt es auch betriebliche Tätigkeiten, die gemacht werden müssen. Aber wer die wann macht, das ist beeinflussbar.

1. Das Richtige - Schlagrichtung
Die Kernfrage lautet: Was sollte ich tun, um erfolgreich zu verkaufen? Ein Weg zur Antwort ist die Frage: Was machen Top-Verkäufer besser? Aufbauend auf einem Zielbild wird hier die Frage der Strategie also „die richtigen Dinge tun“ erarbeitet. Die Effektivität ist die Basis. 

2. Richtig oft - Schlagzahl
Die Aktivität ist die Mutter des Vertriebserfolgs. Und dabei ausprobieren, was „das Richtige“ ist und konsequent weiterentwickeln. Unperfekt anfangen, statt perfekt abwarten! Quantität vor Qualität. Verkaufen lerne ich nur beim Verkaufen. 

3. Richtig gut - Schlagkraft
Hier geht es um die Qualität meiner Aktivitäten. Die Dinge richtig tun, ist eine Frage der Effizienz. Qualität folgt Quantität.

 

Talent oder ... Vertriebsperformance steigern durch Systemvertrieb!
Der Begriff „Systemvertrieb” bezeichnet also eine Form der Vertriebsarbeit, die sich im Wesentlichen durch die Existenz von standardisierten und vereinheitlichten Strukturen und Prozessen vom klassischen „Talentvertrieb” unterscheidet. Aber was ist das Richtige? Wie oft ist richtig oft? Und was ist richtig gut? Leider haben sich die meisten Unternehmen nie systematisch mit diesen Fragen zu ihrem Vertriebserfolg befasst. Die meisten Unternehmen haben eben einen klassischen Talentvertrieb. Motto: Du besitzt einen Anzug und kannst mit Haupt- und Nebensatz reden, wir können es ja mal probieren. (Und jemand besseren haben wir gerade nicht.)
Irgendwann steht der Neue in der Tür und dann heißt es „Fahr mal vierzehn Tage mit dem Müller mit! Das ist unser bester Verkäufer!“ Müller ist meist nicht der beste Verkäufer, Müller verkauft nur am meisten. Und weshalb? Vielleicht weil er am längsten da ist und alle anderen weggebissen hat, er einen großen Kunden geerbt hat, er das beste Gebiet sein eigen nennt oder … Müller fragt dann den „Neuen“, was er denn machen soll. Und wenn dieser antwortet, das Gebiet xy bearbeiten, das Produkt yz in den Markt bringen oder neue Kunden akquirieren, wird Müller ganz leise und sagt „Da hast du aber ein Problem. Du weißt schon, dass das bei uns nicht funktioniert und es schon einer versucht hat. Der saß auch mal hier neben mir. Und jetzt ist er weg.“ So fängt der Neue oft schon am zweiten Tag an, gedanklich sein Kündigungsschreiben zu formulieren. Erinnern wir uns lieber an unsere drei Aspekte, um den Vertriebserfolg vom Zufall zu befreien.

 

1. Das Richtige
Verkäufer brauchen einen Plan, ein System in ihrer Vertriebsarbeit. Denn gerade, wenn es mal nicht so läuft, ist die erste Problemlösungsstrategie „Mehr vom Gleichen!“. Allerdings wäre hier im ersten Schritt „Work smarter, not harder“ (vertriebs-) intelligenter. Wenn ich bei Veranstaltungen Verkäufer die Frage stelle, was ihnen an ihrer Arbeit gefällt, ist eine der ersten Antworten: „Das große Maß an Freiheit“. Dann stellen wir allerdings schnell fest, dass dies keine bewusste Entscheidung der Verkaufsleitung (à la „wir haben nur Spitzenverkäufer in der Mannschaft und die wissen, was zu tun ist“), sondern es ist einfach kaum etwas systematisiert. Wenig Strategie, Prozesse, Ressourcen oder Führung – kurzum: keine Systematik! Zugespitzt ausgedrückt, jeder macht, wie er gerade denkt.
Erfolgreicher Vertrieb wird hier leider oft als künstlerisches Schaffen begnadeter Einzelkönner gesehen. Leider bestehen die allermeisten Vertriebsteams zirka aus:

  • 5-10 Prozent Top-Verkäufern
  • 75 Prozent Mittelmaß
  • 10-15 Prozent Dienst nach Vorschrift


Für maximalen Vertriebserfolg der 75 Prozent braucht es ein System der vertrieblichen Aktivitäten. Diesen Verkäufern ein System für Vertriebserfolg zu bauen, ist eine elementare Aufgabe der Verkaufsleitung! Hier wird der Frage nachgegangen: Welche Faktoren haben den höchsten Einfluss auf den Verkaufserfolg? Dazu werden beispielsweise die Aktivitäten, die Arbeitsweisen, die Methoden der Top-Verkäufer analysiert, systematisiert und skaliert. Denn diese Top-Verkäufer sind ca. doppelt so erfolgreich wie der Durchschnitt. 
Das Talent, die Persönlichkeit dieser Verkäufer lässt sich nicht kopieren, ihre Arbeitsweise schon. Dazu best practice Beispiele aus anderen Vertrieben/Branchen und eine erfahrene Beratung – fertig ist die Basisversion des Vertriebssystems. Beginnend mit einem Kernteam, werden die neuen vertrieblichen Aktivitäten in der Praxis getestet und bei Erfolg anschließend auf den Rest der Mannschaft übertragen. So beginnt der Weg vom Talent- hin zum Systemvertrieb.

 

2. Richtig oft
Alle Menschen im Unternehmen werden nach Input bezahlt. Also im Normalfall, wie viel Lebenszeit sie der Firma diesen Monat überlassen haben. Verkäufer nicht, Verkäufer werden nach Output bezahlt. Klingt banal, ist es aber nicht! Du kannst dich im Vertrieb den ganzen Monat nicht in der Firma blicken lassen, in Bars abhängen, auf dem Golfplatz herumtreiben oder sonst wo verkehren, wenn du am Monatsende auftauchst und genügend Verträge mit Deckungsbeitrag abwirfst, die einigermaßen moralisch verträglich zustande gekommen sind, wird dich dein Chef lieben. 
Versteh bitte, alle in der Firma freuen sich auf den 31. – den Verkäufertrauertag, denn dann ist der Monat gelaufen und du kannst nichts mehr verkaufen! Und trotzdem haben so wenig Verkäufer ihren Fokus auf die Ergebnisproduzierenden Tätigkeiten (EPA`s). Die meisten arbeiten eben leider nach dem Motto „Vertrieb mache ich, wenn ich mit Betrieb fertig bin!“. Dazu kommt es nur leider oft nicht (mehr). Und so gehen die Stunden, Tage und Wochen dahin. Besser ist hier „Vorfahrt Vertrieb!“ Zum Beispiel in der Neukundenakquise. Neukundenakquise ist nie dringend, aber wichtig! Wenn mich Verkäufer fragen, wann ist der beste Zeitpunkt für Akquise, sage ich immer vor 5 Jahren. Wenn du damals was anderes gemacht hast, ist der zweitbeste JETZT!
Wenn ich zu einem Coaching gerufen werde à la „der Verkäufer verkauft zu wenig“, dann erlebe ich in neuneinhalb von zehn Fällen, der Verkäufer hat zu wenig Kontakt mit seiner Zielgruppe. Es ist meist nicht so, dass zum Beispiel seine Verkaufsgespräche derart miserabel sind, dass kein Kunde kaufen kann. NEIN. Er spricht zu wenig mit potenziellen Kunden, er macht zu wenig Kontakte. Seine AVZ – seine Aktive VerkaufsZeit ist zu gering. Top-Verkäufer dagegen sind Zeitegoisten!
In meinen Veranstaltungen frage ich gerne Verkäufer: „Würdest Du mehr verkaufen, wenn du mehr Kundentermine hättest?“ Antwort ist immer „Klar!“ – Meine Gegenfrage lautet dann „Warum machst du es dann nicht?“ Das Argument für die Erhöhung der Schlagzahl in der Neukundenakquise ist simpel. Mittelfristig sagen:

  • 30% „ja“
  • 40% „vielleicht"
  • 30% „Nein“


Kontakte bringen Kontrakte!

 

3. Richtig gut
Es geht darum, ein einmal installiertes Vertriebssystem immer wieder zu reflektieren und so immer weiter zu verbessern. Denn, gerade wenn es einmal nicht gut läuft, bringt nur mehr vom Gleichen eben meist nicht den gewünschten Erfolg. Im Talentvertrieb ist jede Aktivität nur ein gutgemeinter Einzelversuch. Wer aber permanent an seinem System arbeitet, gewinnt bei jeder Aktivität, denn er lernt und verbessert seine vertrieblichen Ansätze. 
In dem Zusammenhang frage ich Verkäufer oft, welches Hobby sie haben, wer sie dazu motiviert und ob sie das halbwegs gut können. Wir erkennen sehr schnell, dass sie niemand zum Ausüben ihres Hobbys motivieren muss. Motivation ist immer vorhanden, wenn Aufgabe und Interesse eine große Schnittmenge haben. Denk einfach mal kurz drüber nach! 
Die Frage nach der Qualität der Ausübung zeigt schnell, dass Qualität eine Folge der Quantität ist. Fußballspielen lerne ich nur beim Fußball spielen und Telefonakquise nur bei der Telefonakquise. So wird dem Denkfehler „Ich würde ja, wenn ich es könnte“ gleich der Nährboden entzogen.

Fazit: Endlich Vorfahrt im Vertrieb? Ein neues Level erreichen? Das ist – auch in herausfordernden Zeiten, die wir immer wieder einmal haben – möglich. Mit System befreien Sie Ihren Verkaufserfolg vom Zufall! Passend dazu das Video „Vorfahrt Vertrieb“ https://youtu.be/y0fEo6t2h80 und das neue Buch „Nie mehr Pech beim Denken – Das neue Mindset im Vertrieb“ (ISBN: ‎978-3658409944).

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Über Jens Löser

derLÖSER macht deinen B2B-Vertrieb besser! Keynote Speaker - Sales Academy - Sales Consulting www.jensloeser.de