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Geschichte des Dialogmarketings

Schon in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts hat die Firma Adolf Schustermann in Berlin einen „Adressenverlag“ aufgebaut. (Buchbeitrag)
Heinz Fischer | 20.03.2009
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing

http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit


Schon in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts hat die Firma Adolf Schustermann in Berlin einen „Adressenverlag“ aufgebaut, der für werbende Unternehmen Branchen- und Privatadressen aus ganz Deutschland zur Verfügung stellte. Diese Adressen wurden zur Werbung per Post eingesetzt, um neue Kunden zu werben und für Verkaufsangebote per Katalog von den ersten „Versandhändlern“, die in dieser Zeit im Markt aktiv wurden.

Der Welt-Adressen-Verlag Emil Reiss, Leipzig, gesellte sich in dieser Zeit noch dazu als Dienstleister für „direkte Offerten“.

Nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918) kamen weitere „Adressenbüros“ hinzu, zum Beispiel die Firma Richard Scholz, die auch Dienstleistungen zum Versand von Werbedrucksachen angeboten hat. Mitte der 1930er Jahre tauchte im Angebot des Adressenverlages Müller, Berlin, zum ersten Mal der Begriff „Direktwerbung“ auf, als Werbemaßnahme, die sich an Umworbene persönlich richtet, bei minimaler Fehlstreuung und exakter Erfolgskontrolle.

Nach dem Zweiten Weltkrieg tun sich die Adressenverleger zusammen, um ihre Interessen gegen Politik und Wirtschaft besser zu vertreten. 1948 gründeten sie die „Arbeitsgemeinschaft der Adressverlage” (ADV). Präsident Ernst Koop (Adressenverlag Koop, Düsseldorf) bleibt während der gesamten Wirtschaftswunderzeit bis zu seinem Tod im Amt. 1967 übernimmt der Autor dieses Beitrages (damals Inhaber der Scholz OhG, Berlin) die Führung des ADV, der bis 1983 die Zahl von 22 Mitglieder erreichte. 1985 wird der Verband umbenannt in Deutscher Direktmarketing Verband.

Die technische Entwicklung in dieser Zeit: Einführung automatischer Direktadressierung, zunächst mit Metall/Adrema-Platten, dann Kettendrucker per Computer gesteuert, elektronische Erfassung, Datenbankführung und Druckproduktion. 1969 wurden bereits 2,5 Milliarden Deutsche Mark für Direktwerbemaßnahmen von der Wirtschaft ausgegeben. Heute sind es mehr als fünf Milliarden Euro.

Eine Bremse in der positiven Entwicklung war 1970 die Einführung des Datenschutz-Gesetzes, auf das der ADV (Adressenverleger-Verband, heute DDV) mit der „Robinson-Liste“ reagierte. In diese Liste/Datenbank konnten sich private Personen kostenlos eintragen, wenn sie keine Werbepost im ihrem Briefkasten empfangen wollten. Alle dem DDV angeschlossenen Dienstleister wurden verpflichtet, diese Liste bei der Abgabe von Privatadressen für Mailing-Aktionen einzusetzen. Im Mai 2008 waren in der Robinson-Liste circa 657.500 Eintragungen verzeichnet. Als Partner des DDV und aller Direktwerber engagiert sich auch die Deutsche Post immer stärker im Bereich Zustellung und Service und beachtet strikt die „Robinson-Liste“.

Parallel zur klassischen Werbung wächst auch das Direktmarketing. Zahlreiche „Direktmarketing Agenturen“ werden gegründet und die Zahl der Dienstleister wie Lettershops und Fullservice-Agenturen nimmt zu. Immer mehr Branchen, wie Verlage, Versicherungen, Handelsunternehmen setzen Instrumente des Direktmarketing zur Neukunden-Gewinnung, Verkaufsförderungen und Kundenbindung ein.

1965 war in der Entwicklung ein besonderes Jahr: Direktwerbung bekam eine eigene Zeitschrift. Mit dem Leitartikel „Was ist Direktwerbung?“ gab der Herausgeber Alfred Gerardi, einer der hervorragenden Direktwerbe-Experten dieser Zeit, den zukünftigen Weg zum Direktmarketing an. Eine einzige Form der Werbung, bei der vom Werbungtreibenden selbst und von ihm allein der Werbeträger ausgesucht und gestaltet wird.

Die Werbeziele und -aufgaben weiteten sich immer mehr aus:

 Direktverkauf an den Verbraucher,
 Direktverkauf an den Handel/Großhandel,
 Verkaufsunterstützung des Groß- und Einzelhandels,
 Verkaufsunterstützung des Außendienstes,
 Bearbeitung bestimmter Branchen zur Unterstützung der Anzeigenwerbung,
 Marktforschung,
 Public Relation,
 Kundenbetreuung und Kundenbindung.

Zum Direktmarketing per Post kommt heute der Einsatz von E-Mails, personalisierten Anzeigen, Telefon-Kontakte, TV-Response, Internet bis zum Handy-Kontakt. Immer mit der Zielsetzung, Werbung und Kauf/Verkauf zu einer einzigen Handlung zu verschmelzen.

Der Anwenderkreis umfasst alle Wirtschaftszweige und ist längst nicht mehr auf den Versandhandel als Pionier des Direktmarketing beschränkt. Jedes Unternehmen, das die Aufgabe des Verkaufens an den Endverbraucher nicht Dritten überlässt, praktiziert Direktmarketing beziehungsweise ist dafür prädestiniert. Markenhersteller, die neue Produkte nicht allein über den Handel einführen, Zeitungen/Zeitschriften, die durch Direktwerbung Abonnenten werben, Versicherungen, Dienstleister, die schriftlich ihr Klientel ansprechen – sie alle praktizieren Direktmarketing.

Die Frage, ob Direktwerbung/Direktmarketing als ein Medium zu betrachten ist, wird heute nicht mehr gestellt. Längst ist klar: Direktmarketing ist ein mehrstufiger Prozess direkter Kommunikation, der alle Aktivitäten im Marketing umfasst: Angebot (Marktkommunikation), Abschluss (Kauf-, Miet- und anderer Vertrag) und überall dort, wo zwischen erstem Anbieter und letztem Nachfrager, erstem Absetzer und letztem Beschaffer eine unmittelbare Beziehung besteht und ein Dialog geführt wird. Aus Direktmarketing wird Dialogmarketing.

Dialogmarketing heute ist eine Methode, die sich der verschiedenen Medien bedient:

 das persönliche Verkaufsgespräch (Verkäufer)
 das telefonische Verkaufsgespräch (Telemarketing) – das schriftliche Verkaufsgespräch (Direktwerbung, Mailing)
 die Haushaltswerbung (door-to-door)
 Response-Beilagen
 Response-Anzeigen
 E-Mail
 Internet und Mobiltelefon

Dialogmarketing heute ist ein Marketing-System, das sich der verschiedenen Medien bedient. Im Dialogmarketing werden mittels interaktiver Kommunikation direkte Kontakte mit der Zielgruppe/Zielperson herstellt. Diese interaktive Kommunikation schafft seitens des Konsumenten das Engagement, sich aktiv zu beteiligen und zielt drauf ab, passive Werbung in aktive Werbung umzuwandeln.


Literatur

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Pohlmann, J.: Coupon-Marketing - Kunden finden und binden mit Rabatten. – 192 S., 2003.
Schwarz, T.: Leitfaden Online Marketing – Das kompakte Wissen der Branche. – 853 S., marketing-BÖRSE, 2007.
Vögele, S.: DasVerkaufsgespräch per Brief und Antwortkarte – Die Dialogmethode. – 372 S., 12. Auflg. 2002.