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Selbstvermarktung freihändig - das beste Mittel kostenfrei

Öffentliche Monologe sind Wunderwaffen der Eigen-PR. Es nutzt sie bloß kaum jemand.
Jens Kegel | 18.11.2008
Warum ist Bescheidenheit im Arbeitsleben keine Zier, sondern kontraproduktiv?
Viele von uns haben im Angestellten-Dasein, als Freiberufler, als Arzt, Künstler, Wissenschaftler erleben müssen, dass andere vorgezogen, andere befördert, andere den Auftrag abgefasst und andere das dicke Gehalt oder Honorar eingestrichen haben. Am meisten schmerzt es, mit ansehen zu müssen, wenn diese anderen weniger können oder weniger leisten. Warum, verdammt noch mal, ist das so? Weil diese anderen in der Lage sind, sich selbst und ihre Leistungen besser zu vermarkten. Klappern ist längst kein Privileg mehr des Handwerks. Wer nicht stehen bleiben will, muss sich bemerkbar machen, hervorheben und Achtungszeichen setzen. Also: Positionieren, Zielimage entwickeln und zur Marke entwickeln.
Dies gelingt hervorragend mit einem Mittel, das in Deutschland ein Schattendasein fristet, obwohl es mehrere Vorteile in sich vereint. Es ist preiswert, mit relativ wenig Aufwand herzustellen und beliebig duplizierbar. Es ist hochgradig wirksam, weil sich die Zielgruppe mindestens zehn Minuten intensiv mit diesem Mittel und seinem Sender gleichzeitig beschäftigt. Es sendet – noch bevor es überhaupt zum Einsatz kommt – die Botschaft: Hier agiert ein Spezialist, einer, der sich aus der Masse heraushebt, eine Marke. Diese eierlegende Wollmilchsau der Markenbildung und Positionierung heißt: öffentlicher Monolog. Dazu zählen Vorträge, Vorlesungen, Statements, Präsentationen und Reden. Schade nur, dass seine Potenzen in Deutschland von den wenigsten erkannt und genutzt werden, denn wie sehen die meisten öffentlichen Auftritte aus? Gestelzt, überfrachtet, einschläfernd.
Redner und Vortragende langweilen ihre armen Opfer mit Details, Zahlenkolonnen und überbordender Faktenfülle. Sie quälen ihre Zuhörer mit Nominalstil und Bürokratendeutsch, die in gesprochener Sprache nichts zu suchen haben. Damit aber noch nicht genug des Schlechten. Deutsche Redner reden auch meist zu lange. Sie meiden Humor wie der Teufel das Weihwasser und verwenden Zitate als letzten Reißaus. Beginn und Ende eines Vortrags sind öde und verwenden sattsam bekannte Standardformeln: „Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“ Manche Redner sollten lieber dafür danken, dass die Zuhörer nicht eingeschlafen sind oder mit Tomaten werfen.
Warum ist die Situation wie beschrieben? Unwissen, falsche Informationen aus dubiosen Büchern, manchmal auch ganz einfach Angst. Hier die häufigsten Irrtümer in Kurzform. Deutsche Redner
glauben, Mimik, Gestik, Sprechweise wären Rhetorik. Sie denken, wer kompliziert und verquast spricht, wird für intelligent gehalten. Redner ziehen sich hinter den Schutzwall Schriftdeutsch zurück, weil sie dies für einen Monolog als angemessen erachten. Sie glauben an die manipulative Kraft der Sprache und verkennen die einmalige Chance, die ihnen ein Monolog bietet.
Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Bereichen Linguistik, Psychologie und Neurologie räumen auf mit weit verbreiteten, aber dennoch falschen Vor- und Fehlurteilen. Motto: Was lange währt, muss noch lange nicht richtig sein.
Beginnen wir mit der Standard-„Regel“ aus vielen Rhetorik, Kommunikations- und NLP-Kursen:
Bei einem gesprochenen Text werden nur 7 Prozent der Wirkung über den Inhalt kommuniziert. Der Rest der Wirkung geht angeblich auf Mimik, Gestik und Stimme. Dieses Märchen wird natürlich gern von Logopäden und Sprechtrainern verbreitet. Richtig ist: Die „Regel“ beruht auf einer Untersuchung von Mehrabian aus dem Jahr 1967, in welcher Ein-Wort-Sätze wie „Danke!“, „Schrecklich!“ oder „Wirklich?“ untersucht wurden. Alle anderen Komponenten der Kommunikation ließ man außer Acht: den Redner, die Situation und die Hörer. Mittlerweile ist mehrfach nachgewiesen worden, dass die 7-Prozent-Regel schlichtweg Unfug ist.
Kommen wir zum zweiten hartnäckigen Virus: Mit Sprache können wir angeblich manipulieren und Hörer in die vom Sprecher gewünschte Richtung bewegen. Stichworte: „schwarze“, „magische“, „verbotene“ oder sogar „skrupellose“ oder „verbotene“ Rhetorik (Amazon ist eine unerschöpfliche Quelle). Überreden statt überzeugen soll allein mit Worten möglich sein. Wenn man nur die richtigen Tricks bzw. Winkelzüge kennt und diese auch anzuwenden weiß. Gegen diese weit verbreitete Vorstellung sprechen mindestens zwei Tatsachen:
Tatsache 1: Kommunikation ist von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig, die einander bedingen und aufeinander einwirken. Ein und derselbe Satz hat in verschiedenen Situationen verschiedene Bedeutungen. Ein Beispiel. „Bullen gehören auf die Weide.“ Biobauer zum Knecht im Stall, Autofahrer zum Polizisten auf dem Parkplatz, Greenpeace-Mitarbeiter zum industriell produzierenden Landwirt… Die Komplexität von Kommunikation widerspricht einfachen Manipulations-Schemata, weil letzten Endes der Hörer in einem ganz bestimmten Zusammenhang mit ganz speziellen Intentionen entscheidet, wie er die Äußerung verstehen will und auch versteht.
Tatsache 2: Manipulation wendet sich gegen den Willen, gegen die Überzeugung, gegen Glaubensgrundsätze und individuelle Wahrheiten anderer Menschen. Wenn Menschengruppen scheinbar manipuliert werden, dann handeln sie entweder parallel zu ihren Glaubensgrundsätzen und Intentionen, weil sie mit den dargestellten Inhalten übereinstimmen, oder widerwillig, weil äußere Machtfaktoren dies zum Beispiel als opportun erscheinen lassen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie sich die Inhalte der „Manipulation“ zu Eigen gemacht hätten. Schon gar nicht funktioniert dies in einer pluralistischen Gesellschaft und erst recht nicht mit Sprache allein.
Ein starker, unverwechselbarer, vor allem aber unerwarteter Beginn lenkt die Aufmerksamkeit der Hörer sofort auf den Redner und dessen Botschaften. Machen Sie das Gegenteil von dem, was die Zuhörer erwarten. Fallen Sie auf, tanzen Sie aus der Reihe, überraschen Sie! Der Beginn muss freilich dem Thema entnommen sein und darf nicht aufgesetzt wirken. Wenn er mit dem Schluss eine Einheit bildet, wird der Auftritt rund.
Eine zentrale Metapher, ebenfalls aus dem Thema abgeleitet, ist wie geschaffen für das Skelett des Monologs. Aus ihr werden kleine erzählende Passagen abgeleitet, die den Inhalt anschaulich und vor allem emotional übermitteln.
Zitate sind ein Zeichen für fehlende eigene Gedanken. Haben wir es nötig, uns mit fremden Federn zu schmücken? Müssen wir uns der Worte von Goethe oder Beckenbauer bedienen? Sind wir nicht selbst unserer Sprache mächtig? Na also. Besser, viel besser: Schreiben Sie Sätze, die andere zitieren. Billiger geht Eigen-PR nimmer.
Bürokratiestil gehört in die Bürokratie, nicht aufs Podium. Schriftdeutsch der Juristen, das nur so strotzt vor -ung und -heit und -keit ist Gift für die Ohren derer, die Ihnen zuhören.
Kurze Sätze, aber kein Staccato. Wechseln Sie zwischen einfachen und zusammengesetzten. Nebensätze sind wichtig, zu viel davon sind mehr als flüssig.
Texte, die mit Abstraktitis infiziert sind, verfehlen ihre Wirkung, denn Abstrakta haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie jeder anders versteht. Viele konkrete Begriffe, kein Fach-Chinesisch, Alltagsdeutsch. Dann klappt’s auch mit den Hörern.
Der wichtigste Rat zum Schluss: Sehen Sie öffentliche Monologe nicht als Last, sondern als Lust. Verstehen Sie Reden, Vorträge und Statements als einzigartige Möglichkeit, gezielt Menschen zu gewinnen. Für das beste Produkt, das Sie je kennen lernen werden: sich selbst.
Über Jens Kegel

Beratung in den Bereichen verbale und integrierte Unternehmenskomm., Inh. d. Akademie Text®, Mitinhaber v. brandmetoo, Ghostwriter, Fachbuchautor