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Nutzer müssen Verwendung von Cookies aktiv zustimmen

BGH beendet deutschen Sonderweg und bringt eine feste Säule in den Vermarktungsmodellen vieler Verlage und Werbetreibenden ins Wanken.
Fieldfisher LLP | 28.05.2020
Nutzer müssen Verwendung von Cookies aktiv zustimmen © freepik / wirestock
 

Der Bundesgerichtshof (BGH) beschließt in seinem heutigen Urteil (Az. I 49 7/16) die Pflicht zur aktiven Zustimmung bei der Verwendung von Cookies durch Publisher (sogenanntes Opt-In-Verfahren). Damit passt der BGH die bisherige deutsche Rechtsprechung dem europäischen Recht an und bringt eine feste Säule in den Vermarktungsmodellen vieler Verlage, Werbetreibenden und E-Commerce-Websites ins Wanken.

Das heute verkündete BGH-Urteil in der Rechtssache Planet49 (Az. I 49 7/16) schafft zumindest in einem wichtige Punkt Klarheit über die Verwendung von Cookies zu Werbezwecken: Hierzu ist künftig auch in Deutschland eine aktive Einwilligung des Nutzers erforderlich. Für den Online-Werbemarkt in Deutschland ist dies ein Paradigmenwechsel, der wirtschaftlich große Auswirkungen auf die Refinanzierungsmöglichkeiten von Anbietern digitaler Inhalte haben kann.

Besonders betroffen hiervon sind Webseitenbetreiber (Publisher, Blogbetreiber und Shops), die auf die aktive Einwilligungslösung zur Speicherung von Cookies umstellen müssen. Die bisher auf Cookies basierte zielgruppengenaue Werbung stellt eine wichtige Finanzierungssäule für Anbieter digitaler Medien und journalistischer Angebote dar. Die Folge sind sinkende Reichweiten und eine weitere Verschiebung der Media Budgets zu loginpflichtigen Online-Angeboten großer US-Player. Und auch für europäische Werbetechnologieanbieter bedeutet das Urteil eine weitere Schwächung ihrer Position gegenüber US-Plattformen.

"Das Urteil erhöht die Anforderungen für Anbieter von Digitalinhalten bei der werblichen Vermarktung. Einwilligungen sind für dieses vielschichtige wirtschaftliche Ökosystem ein schwer handhabbares Instrument, welches zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt. Für digitale Medienanbieter bedeutet dies eine deutliche Erhöhung der technischen Komplexität sowie der rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken, welchen letztlich nur durch branchenweite Standards und sorgfältige technische und rechtliche Implementierungen begegnet werden kann. Rechtspolitisch wäre zu wünschen, dass der EU-Gesetzgeber auf Basis einer Evaluierung der Umsetzung der e-Privacy-Richtlinie in den EU-Mitgliedsstaaten die richtigen Schlüsse zieht und hierbei insbesondere auch die zum Teil kontraproduktiven ökonomischen und datenschutzrechtlichen Steuerungseffekte der Regelungen zutreffend bewertet.", so Stephan Zimprich, Partner im IP- und Technologie-Team bei Fieldfisher.

„Die faktische Beendigung des bisherigen deutschen Sonderweges durch das heutige BGH-Urteil mag konsequent und letztendlich auch richtig sein mit Blick auf eine europaweite Rechtsvereinheitlichung und -sicherheit. Und sicher hat die digitale Branche mit cookiebasierten Targeting- und Tracking-Auswüchsen den Weg bis zu diesem Punkt mitgeebnet. Dennoch ist die heutige Entscheidung der vorläufige Höhepunkt in einer langen Reihe von kritikwürdigen gesetzlichen (Fehl-)Regulierungen, die in der Praxis fatalerweise genau das Gegenteil dessen bewirken, was eigentlich Ziel der Politik ist. Denn die finale Implementierung eines strikten Consent-Regimes bedeutet unter dem Strich: weniger Pseudonymität, dafür mehr Personenbezug von Daten. Weniger Kontrolle im Browser, dafür mehr intransparente Backendprozesse bis zur Entwicklung von Cookie-unabhängigen Lösungen, die der Nutzer überhaupt nicht mehr einsehen geschweige denn kontrollieren kann. Mehr Medien- und Meinungsmonopolisierung und Marktmacht durch weitere Konzen­tration von Werbegeldern bei großen globalen Login-Walled-Gardens statt lokaler Pluralität. Weniger Datenhaltung in Deutschland und der EU – dafür mehr Datenverarbeitungsmöglichkeiten in den USA und durch US-Behörden. Offensichtlich ist es der digitalen Branche nicht gelungen, den politisch Verantwortlichen den Trugschluss ihrer Datenschutzpolitik rechtzeitig und ausreichend zu vermitteln. Bleibt die Hoffnung, dass die auf den Weg gebrachten Login-Allianzen und weitere Post-Cookie-Initiativen aus dem deutschen und europäischen Markt in der Lage sind, die schlimmsten Folgeeffekte abzufedern. Denn die nächste Marktdisruption durch die Browserhersteller zeichnet sich bereits ab – und sie wird kein level playing field im Auge haben oder nach berechtigten deutschen oder europäischen Marktinteressen fragen“, erklärt Thomas Peruzzi, CTO Technologie des führenden europäischen Adtech-Anbieters virtual minds AG.