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Zukunftsforscher: Das letzte Gefecht des Datenschutzes

Zukunftsstudie zum Umgang mit Daten 2020 veröffentlicht
Als erster deutscher Trendforscher nimmt der Leiter des forward2business-ThinkTanks Sven Gábor Jánszky Stellung zum aktuellen Datenschutzskandal. In einer heute vorgestellten Zukunftsstudie beschreiben die Forscher den Umgang mit unseren Daten und die Modelle des Kundendialogs der Unternehmen im Jahr 2020.


Herr Jánszky, der Datenschutz bekommt derzeit sehr viel Beachtung. Werden wir in Zukunft sensibler mit Daten umgehen?


Ich habe die Diskussion in den vergangenen Tagen mit einer gewissen Faszination beobachtet. Wir erleben so etwas wie das letzte Aufbäumen des klassischen Datenschutzes. In 10 Jahren werden wir über die Diskussionen von heute herzlich lachen.

Wieso das?

Weil es in 10 Jahren normal sein wird, dass wir intelligente Software-Assistenten besitzen, die unser Verhalten tagtäglich beobachten, daraus ein Profil bilden und unsere Daten weitergeben. Sie werden uns unser individuelles Fernsehprogramm zusammenstellen, unseren Einkaufszettel schreiben, sie werden im Auto unsere individuelle KFZ-Versicherungsabrechnung machen, uns die Musikbeschallung fürs Büro nach unserem Geschmack zusammenstellen usw. Auch in der Öffentlichkeit ist der Assistent aktiv. Stellen Sie sich zum Beispiel vor: Ich steige in den ICE, mein elektronischer Assistent kommuniziert mit dem ICE-Sitz und sagt, der Janszky hat gestern Abend zum ersten Mal einen Krimi von Mankell gesehen und nicht weg gezappt – hast Du nicht was von Mankell da? Plötzlich melde sich bei mir der ICE Sitz und sagt: Deinem Telefonanbieter T-mobile tut es leid, dass Du die nächsten 2 Stunden nicht vernünftig telefonieren kannst. Dafür bietet er Dir an einen spannenden Krimi von Mankell zu lesen. Was meinen Sie wie ich strahle: Ist das Kundenbindung? Und abends kurz bevor ich in Berlin am Hauptbahnhof aussteige nimmt mein elektronischer Assistent Kontakt mit dem Bahnhof auf und meldet sich mit den Worten: Du kommst an Gleis 11 an, gleich wenn Du die Treppen runter kommst rechts ist ein REWE-Markt. Nimm doch Obst und Milch mit … und vielleicht den Prosecco, der ist gerade im Sonderangebot. Alternativ kann der auch sagen: Das Hotel XY in der Nähe bietet einen Super-Last-Minute Preis oder für das neue Mankell-Theaterstück wären noch ein paar Restkarten zu haben.

Und wieso sollten wir diese Technologie nutzen?

Weil wir einen Nutzen davon haben und weil wir Angst haben, etwas zu verpassen. Der Nutzen liegt auf der Hand: Bessere Fernsehprogramme, bessere Musik im Radio, interessante Nachrichten und passende Werbung. Den Nutzen gibt es sogar in ärgerlichen Situationen: Wir rechnen damit, dass bei 80% der Anrufe in Callcentern der Grund des Anrufes schon vorausgesagt werden kann und entsprechend geholfen wird. Unternehmen werden diese vom Konsumenten zu Verfügung gestellten Daten lieber nutzen als die veralteten Massendatenbanken.

Ein ebenso starker Grund ist aber die Angst etwas zu verpassen. Wenn Sie im Jahr 2020 überall und jederzeit mit dem Internet verbunden sind, werden Sie schnell feststellen, dass Sie die Komplexität nicht überschauen und nicht sinnvoll im Griff haben. Wir werden sehr dankbar sein über eine Technologie, die anhand unserer Daten und unserer automatisch analysierten Bedürfnisse das Interessante für uns aus dem Internet holt.

Und Sie sehen keine Gefahr für den Datenschutz?

Nein! Sehen Sie, unsere bisherigen Datenschutzvorstellungen stammen aus einer Zeit vor 25 Jahren. Es war die Zeit der Volkszählung und des Kampfes der Bürger gegen einen als allmächtig und unheimlich empfundenen Staat. Seitdem hat sich unsere Gesellschaft grundlegend gewandelt. Wir als Bürger sind nicht mehr ängstlich sondern souverän gegenüber dem Staat. Statt unsere Daten zu verstecken schreiben wir heute tagäglich in Twitter oder XING wo wir gerade sind und was wir gerade tun, nutzen selbstverständlich die Payback-Card, Kreditkarten und Google, obwohl wir genau wissen, dass unsere Daten hier gespeichert werden.

Warum tun wir das?

Weil wir wissen, dass der Nutzen überwiegt. Wir erhalten Rabatte oder Anerkennung und haben kaum etwas zu befürchten außer ein paar Werbebriefen und Werbemails, die ungelesen in den Müll wandern.

Aber wird es nicht gerade diese Werbeflut sein, die uns künftig vorsichtiger sein lässt?

Im Gegenteil! Wir werden feststellen, dass wir weniger sinnlose Werbung bekommen je mehr Daten wir preisgeben. Mit unseren Daten erleichtern wir den Unternehmen uns genauer zu kennen und zielgenauer mit jener Werbung zu versorgen die uns interessiert und von jener zu verschonen, die wir nur wegwerfen.

Dann werden wir also zu „gläsernen Bürgern“?

Wir sind es ja längst! Und das ist gar nicht schlimm! Ich prognostiziere dass die Menschen in den nächsten Jahren immer genauer erkennen werden, dass unsere Wirtschaft und Gesellschaft darauf basiert, dass die Unternehmen ihren Kunden kommunizieren und entsprechend deren Daten verwenden. Die Bürger werden sich bewusst werden, dass ihre Daten einen wirtschaftlichen Wert haben. Wir werden unsere Daten jenen Unternehmen freigeben, denen wir vertrauen und die am meisten dafür zahlen. Vertrauen wird das wichtigste Wirtschaftsgut des Jahres 2020!

Aber wie sollte ich jemandem vertrauen, wenn ich nicht weiß, was derjenige mit den Daten tut?

Die ist ein ganz zentraler Punkt. All dieses Modelle werden sich nur durchsetzen, wenn die Menschen auf einfache Weise die über sie gespeicherten Daten und Profile einsehen, verändern und löschen können. Bei einer Studie im forward2business-ThinkTank haben die versammelten 250 Innovations-Chefs der deutschen Wirtschaft vorausgesagt, dass in 10 Jahren 37,6% der Bevölkerung eigenen elektronische Assistenten haben werden, die das persönliche Profil zusammenstellen und Tag für Tag verbessern. Die Bedingung ist allerdings, dass sie die Daten jederzeit ändern und löschen können und über die Weitergabe an Dritte selbst entscheiden können. Dies sind die Geschäftsmodelle die in Zukunft funktionieren.

Und was machen die anderen 63%?

Sie werden immer weniger! Schritt für Schritt werden sie aus den Kommunikations- und Partizipationsprozessen der Gesellschaft ausgegrenzt, so wie das heute etwa mit Menschen ohne E-mail-Adresse passiert.

Werden damit denn Skandale wie der aktuelle verhindert?

Nein. Kriminelle Personen wird es wie überall auch hier weiterhin geben. Aber dafür haben wir Gesetze und Strafverfolgungsbehörden. Die gibt es und die brauchen wir auch weiterhin. Was wir nicht mehr brauchen ist der übertriebene Regulierungswahn der Datenschützer. Wir sind kein Volk von Naivlingen, das vor sich selbst beschützt werden muss!



Sven Gábor Jánszky (35) ist der Shooting-Star unter den deutschen Trendforschern. Unter seiner Leitung entwerfen seit 7 Jahren 250 CEOs, VPs Innovation, Markenstrategen und Trendforscher ein Szenario für das Leben 2020, darunter Innovations-Chefs von Nokia, Siemens, SAP, IBM, Henkel, Volkswagen, Audi, Intel, Microsoft, Deutsche Bank, Deutsche Post, Deutsche Bahn, Shell, ARD, ZDF, RTL, Burda, Bauer, MTV, Vodafone, New Yorker, adidas, OTTO etc. Die hier zitierten Umfragezahlen stammen aus dem ThinkTank im Juni 2008. Am 9. September 2008 veröffentlichte Sven Gábor Jánszky eine gemeinsam mit dem Trendbüro und dem CRM-Konzern Transcom Worldwide erstellte Zukunftsstudie zum Umgang der Unternehmen mit Daten und dem Wandel des Kundendialogs bis zum Jahr 2020.
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