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„Die spinnen, diese Menschen!“

Heilige Kühe auf den Businesswiesen und im Privatgarten
Stefan Dudas | 13.12.2017
Nehmen wir einmal an, es kommt ein Besucher auf unsere Erde. Sinny weiß absolut nichts darüber, wie wir Erfolg definieren, welche Spielregeln im Business gelten und wie wir leben. Sinny sieht uns ein paar Tage oder Wochen zu. Schaut sich an, wie wir arbeiten, wie wir Prozessabläufe, Leitbilder, Strukturen, Regeln und Grenzen definieren, wie wir leben, Beziehungen führen und mit welchen Tätigkeiten wir unser Leben verbringen – auch in der Freizeit. Was würde Sinny wohl in seinen Besuchsrapport schreiben? Die spinnen, diese Menschen!

Tun wir das wirklich? Naja, betrachten wir unser Leben einmal etwas genauer, gibt es sicher die eine oder andere „heilige Kuh“. Was soll das denn schon wieder sein, wundert sich Sinny. Ein Blick auf Wikipedia klärt unseren Besucher auf: „Eine Heilige Kuh bezeichnet in der Ethnologie ein für unantastbar erklärtes Hausrind ... Umgangssprachlich meint „eine heilige Kuh“ im übertragenen Sinne ein Tabu, also etwas, das nicht angetastet werden darf oder an dem nicht zu rütteln ist.“ Wir alle keinen sie! In jedem Unternehmen gibt es solche heiligen Kühe – also unantastbare Hausrinder! Heilige Kühe gibt es auch in unserem Privatleben. Viele Menschen wollen ihr Leben gar nicht mehr anschauen oder hinterfragen, damit die eigene Lebens-Illusion und Schutzbehauptungen, die man über Jahre oder Jahrzehnte aufgebaut hat, nicht verletzt oder angekratzt werden können. Aber kommen wir noch einmal zu Sinny zurück und seinem Bericht:

Der Erde-Mensch definiert sich darüber, was er hat. Macht man viel, bekommt man viel und dann ist man jemand. Also erst wenn man viel hat, ist man es wert, beachtet zu werden. Das ist auch der Grund, warum Menschen, die nicht mehr arbeiten (sie nennen diese Menschen „Pensionäre“), wenn sie sich vorstellen, anfügen, was sie früher gemacht haben. “Früher war ich Direktor des …“. Warum sie das tun? Sie wollen damit beweisen, dass sie wichtig sind (oder waren), weil sie früher mal etwas Wichtiges gearbeitet haben. Diese Menschen haben noch nicht bemerkt, dass sie ja schon als Mensch per se wichtig und beachtenswert sind. Verrückt? Ja.
Der Business-Erde-Mensch definiert sogenannte Werte für sein Unternehmen in einem Schriftstück, das sie Leitbild nennen. Werte sind also Dinge und Einstellungen, die ihnen wichtig sind. Da steht zum Beispiel, dass die gegenseitige Wertschätzung ein wichtiges Gut sei für dieses Unternehmen. In den Besprechungen aber, welche die meisten der Teilnehmer im Vieraugengespräch als Zeitverschwendung einstufen, lesen die Menschen ihre E-Mails oder surfen auf ihren mobilen Telefonen im Internet, während einer von ihnen zu allen spricht. Verrückt? Und wie!
Der Mitarbeiter-Erde-Mensch verkauft seine Lebenszeit an Unternehmen und bekommt dafür monatlich Geld. Oft nicht einmal sehr viel. Absolut verwunderlich ist, dass viele dieser Mitarbeiter ihre Arbeit nicht einmal wirklich lieben. Sie tun sie nur für Geld – um davon zu leben. Habt ihr das verstanden? Diese Menschen hier tun acht bis zwölf Stunden am Tag etwas, was ihnen keinen Spaß macht und auch keinen wahren Sinn für sie ergibt. Sie sind unzufrieden. So unzufrieden, dass Wissenschaftler Studien erstellen, um diese Unzufriedenheitsquote zu messen. Ändern tut sich dadurch nichts. Verrückt? Nein, eigentlich traurig.
Der Freizeit-Erde-Mensch verbringt einen Großteil seiner arbeitsfreien Zeit vor einem Bildschirm mit sinnfreien Sendungen ohne wirklichen Informationsgehalt. Meist drei bis vier Stunden pro Tag sitzt oder liegt er vor diesem Gerät. Verrückt? Oh ja!
Der Karriere-Erde-Mensch verbringt viel Zeit mit Weiterbildungen (teilweise drei Jahre und mehr) und lernt dort alles über Marketing, Wirtschaft und weitere wichtige Themen. Verrückt? Nein, ganz und gar nicht. Verrückt ist aber, dass einige in diesen Klassen sagen, dass sie nur wegen des Diploms oder des Zertifikats an solchen Veranstaltungen teilnehmen. Dies sei der nächste Schritt auf der Karriere-Leiter. Wenn man sie fragt, ob sie denn gerne hier lernen, erntet man nur missmutige oder verständnislose Blicke. Verrückt? Klar.
Das Erde-Kind wird in der Ausbildungsphase (sie nennen das „Schule“) auf Gleichheit und Messbarkeit getrimmt. Für alles, was das Kind in diesen Schulen tut, bekommt es „Noten“, damit man die Leistungen der Kinder vergleichen kann. Platz für Kreativität, Neugier oder Muse bleibt dabei nicht. Das wird später in weiteren Ausbildungen im Erwachsenenalter wieder mühsam und hart antrainiert. Viele Kinder können die Formel für die Fibonacci-Folge erklären, wissen aber nichts über ihr Selbstwertgefühl, über Selbstachtung und Selbstverwirklichung. Verrückt? Ja, leider.


So oder ähnlich würde der Bericht „Die Spielregeln der Menschen von außen betrachtet“ von Sinny wahrscheinlich aussehen. Ja, ich weiß, was Viele jetzt denken: Das ist aber eine ziemliche Schwarz-Weiß-Malerei. Richtig. Es gibt natürlich auch viele Grautöne. Aber die Dinge zu pointieren, macht sie deutlicher – und genau das ist wichtig, damit wir den Sinn erkennen. Zugegeben: Vieles in unserem Leben läuft gut, aber über Vieles machen wir uns kaum mehr Gedanken. Menschen, die plötzlich nach dem Sinn ihrer Tätigkeit suchen, gibt es immer mehr. So häufig, dass es sich offenbar lohnt, darüber nachzudenken, wie wir alle mehr Sinn in unserer Arbeit und auch im Privatleben erleben können. Daher möchte ich allen Sinn-Suchern zwei Fragen mit auf den Weg geben:

1. Was hält uns davon ab, mehr Sinn in unserem Leben zu erleben oder Sinn bewusster wahrzunehmen?
Wenn wir es uns doch insgeheim wünschen, warum befassen wir uns nicht damit und versuchen mehr davon in unser Leben zu ziehen? Warum gehen wir nicht auf die Suche nach Sinn? Und warum hinterfragen wir nicht ab und zu unser Leben?

2. Was hält Unternehmer davon ab, mehr Sinn in die Unternehmen zu bringen?
Es würde dem Unternehmer wesentlich mehr Spaß machen, wenn er in dem, was er täglich tut, mehr Sinn erkennen würde. Zudem wäre seine Kommunikation wirksamer. Und damit auch die Kommunikation mit seinen Mitarbeitern, die sich über die Sinn-Kommunikation garantiert freuen würden. Ein Nebeneffekt davon wäre, dass man die Mitarbeiter nicht mehr mit der „Motivationspeitsche“ antreiben müsste. Und schlussendlich lieben wir doch alle – auch als Kunden – Unternehmen, bei denen eine Geschichte mit Sinn oder ein klar kommunizierter Unternehmenszweck erkennbar ist.

Lohnt es sich, über diese Fragen nachzudenken? Ich bin absolut überzeugt davon, dass es „Voll Sinn“ macht. Oder wie lang wollen wir unsere heiligen Kühe noch füttern?
Stefan Dudas
Über den Autor: Stefan Dudas

Stefan Dudas ist Business-Experte für Sinngebung. Der Keynote-Speaker, Coach und Autor legt humorvoll das Fundament für neue Denk-Ansätze.