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Spielverderber: Zu wenig kreative Geister in Deutschland – Kontrollfreaks dominieren

Innovation ohne spielerische Kreativität gibt es nicht
marketing-BÖRSE | 07.08.2006
Köln/Hamburg/Stuttgart, ne-na.de - Ein technikverliebtes Volk sind die Deutschen nach einem Bericht des Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft (IWD) www.iwkoeln.de noch nicht: „Zwar freunden sich immer mehr Bundesbürger mit den Errungenschaften der Informationsgesellschaft an. Aber die Ausstattung mit PCs und Breitband-Internetverbindungen lässt im internationalen Vergleich zu wünschen übrig“, kritisiert das IWD. Nach einer Umfrage des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) bewerten zwar 58 Prozent der Deutschen die Fortschritte der Informationstechnik und der Telekommunikation als eher positiv. Gleichwohl wuchs die Zahl der Skeptiker zwischen 2001 und 2005 um zehn Prozentpunkte auf 18 Prozent. Zudem trauen viele ihrem Heimatland wenig zu: Nur sechs Prozent sind der Meinung, Deutschland sei weltweit das Land mit der höchsten Innovationskraft bei Zukunftstechniken. Für Japan votierten dagegen 37 Prozent, die USA kamen auf 16 Prozent und selbst China erhielt 14 Prozent der Stimmen.

Das Land der Dichter und Denker scheint immer noch den Kulturpessimismus des 19. und 20. Jahrhunderts zu konservieren. Wolf Lotter beklagt in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift bandeins www.brandeins.de die bierernste Mentalität der Deutschen: „Das Wort ‚spielen’ hat im deutschen Kulturkreis einen negativen Beigeschmack. Spielen, das dürfen Kinder und, nach klarsten Regeln, gelegentlich auch mal Erwachsene. Niemals aber darf aus dem Spiel mehr werden als Spaß. Mit der Realität, so will es die kulturelle Realverfassung, spielt man nicht. Das Gegenteil ist richtig. Friedrich von Schillers bekannter Satz vom ‚Menschen, der nur da ganz Mensch ist, wo er spielt’ ist kein romantisches Gefasel, für das es mehrere Spießergenerationen bis heute gehalten haben, sondern eine recht rationale Feststellung. Schiller hatte in der zu Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend arbeitsteiligen und spezialisierten Gesellschaft entdeckt, dass man die kreativen und schöpferischen Elemente, die den menschlichen Geist letztlich tragen, in kleine, überschaubare Regelpakete zu stecken begann. Die Propheten und Sachwalter der Industriegesellschaft sollten fortan behaupten können, dass Kreativität, also die schöpferische Fähigkeit von Denken und Handeln, beliebig reproduzierbar wäre. Es komme nur darauf an, die Kreativität nach klaren Regeln fließen zu lassen“, führt Lotter aus.

Wie wenig das Spiel und sein Rohstoff Kreativität, verstanden worden seien, lässt sich an jeder Grundschule beobachten, an der übereifrige Gutmenschen kleinen Kindern ein einheitliches Spiel- und Spaßbild zu vermitteln versuchen. „Die enzyklopädische Weisheit, dass der spielende Mensch – der Homo ludens – durch Spiel seine Fähigkeiten entdeckt, muss natürlich, wo kämen wir denn sonst hin, für alle gelten. Oder anders gesagt: Kreativität ist prima, aber bitte nach Plan“, so Lotter. Das habe ein wenig mit Blödheit und noch mehr mit der militärisch-industriellen Geschichte der deutschen Kultur zu tun, sei aber bis heute und bis ins höchste Alter ein ungeschriebenes Gesetz.

Vor allem im Management dominiere nach Erfahrungen von Norman Lewis, Direktor für Technologieforschung bei Wanadoo, eine Erfolgskultur ohne Toleranz für Irrtümer oder Abweichungen von den erwarteten Ergebnissen. „Unvorhersagbarkeit ist die notwendige Grundlage von Untersuchungen und Experimenten – aber sie gilt als störend und muss minimiert werden. Durch die Minimierung unvorhersehbarer Ergebnisse werden Pragmatismus und das bereits Bekannte zu zentralen Prinzipien der Unternehmung. Dabei gehen viele große Durchbrüche der Vergangenheit auf die Kultur von Versuch und Irrtum zurück: Die Entdeckung des Penicillins ist eines der besten Beispiele“, schreibt Lewis in einem Beitrag für die Frankfurter Zeitschrift Novo www.novo-magazin.de. Wer Sicherheit wolle, glaubt Lotter, der spiele nicht: „Schon der Gedanke daran ist frivol. Und umgekehrt gilt, dass Menschen, die gern auf Nummer Sicher gehen, elende Mitspieler sind“.

Ein Land, das verbal gern nach Kreativität rufe, knüppelt tatsächlich Talente und Ressourcen durch eine Flut von Regulativen nieder. „Freude an der Arbeit ist nicht Teil des Arbeitsvertrages, ganz im Gegensatz zu Anwesenheitspflicht und Weisungsgebundenheit. Weiterdenken darf nicht jeder, da muss schon eine von oben verordnete Diensterfindungs-Kampagne her. Wer außerhalb der Rahmen etwas ausprobiert, muss das Spielfeld räumen“, beklagt Lotter und verweist auf eine Analyse des Stuttgarter IT-Dienstleisters Nextiraone www.nextiraone.de, ein Unternehmen, das man als Global Player bezeichnen könne. „Eigentlich weiß jeder insgeheim, was gespielt wird. Wir leben von Innovationen, also Veränderungen. Die müssen sich zunächst gegen die vorherrschenden Regeln des Marktes durchsetzen“, so Nextiraone. Es gehe um Ideenfindung, und das Kreative und Spielerische der Ideenfindung stehe im Widerspruch zu den Beharrungskräften des etablierten Managements, das mit Erfolgen von gestern groß geworden sei.

„Innovation ohne spielerische Kreativität gibt es nicht, so viel steht fest. Natürlich wissen das Manager auch. Aber die Regeln, nach denen unsere Wirtschaft läuft, sind völlig unspielerisch. Es gibt nur Regeln, deshalb kommt kaum noch jemand zum Spielen“, so die Marktbewertung von Nextiraone.

In der Welt des alten Spiels seien Spielmacher, Schiedsrichter und Spieleentwickler eins – man könnte das auch als Management bezeichnen. Manager stellten die Regeln auf, um ihre Einhaltung zu überwachen. So sei es in diesem Berufsstand seit vielen Jahren Brauch. Wenn man die Kreativität in seinem Unternehmen steigern, nach Möglichkeit ausschöpfen wolle, dann müsse klar sein: „Diesen Prozess kannst du nur sehr bedingt kontrollieren. Einem Manager, der Innovation treiben will, muss es weitgehend egal sein, wie die Leute ihrer Arbeit nachgehen.“ Doch was passiert wirklich? „Kontrollfreaks wollen gewinnen, ohne zu spielen. Deshalb ist für sie im 21. Jahrhundert kein Platz mehr“, resümiert Wolf Lotter.

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