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Twitch: Für wen eignet sich die Plattform?

Twitch ist viel mehr als eine Plattform, auf der man auf Gaming-Influencer trifft. Unternehmen sollten das Konzept zunächst verstehen.
Torben Platzer | 30.06.2020
Twitch: Für wen eignet sich die Plattform? © Pixabay / raphaelsilva
 

Die Streaming-Plattform Twitch wurde 2011 in der ersten Beta Version veröffentlicht und war anfänglich als reine Videospiel und E-Sport-Übertragung angedacht. Bereits 2013 verzeichnete Twitch monatlich mehr als 45 Mio. Zuschauer. Das ist nicht verwunderlich, da der E-Sport-Szene alleine in Europa ca. 22 Millionen Menschen angehören. Amazon kaufte für 970 Millionen US Dollar das Unternehmen 2014 und schloss mit vielen Spieleherstellern und Gaming-Turnier-Veranstaltern Verträge. Die großen Streamer unterzeichnen Exklusivverträge und erhalten dafür Sonderkonditionen, werden so an die Plattform gebunden. Das hat zur Folge, dass mittlerweile jedes große Event auf Twitch gestreamt wird. Konkurrenten wie YouTube-Streaming oder auch Mixer kommen derzeit nicht annähernd an die Zahlen und die Marktdurchdringung heran.

 

Das Konzept

Das Konzept dahinter ist relativ simpel: Jemand spielt ein Computerspiel, zeigt sich selbst via Webcam oder Digitalkamera und teilt seinen Bildschirm. Das ermöglicht Zuschauern die Games als reines Entertainment genießen zu können, ähnlich wie eine Netflix Serie oder ein Krimi im Fernsehen. Und der Vorteil ist, der Zuschauer muss nicht einmal mehr selbst an den Controller oder die Maus, sondern schaut seinem Lieblingsgstreamer dabei zu wie er die Endbosse meistert. Spannend wird es, wenn die Persönlichkeit, die das Game spielt, so bekannt ist, dass sogar das Spiel selbst in den Hintergrund gerät. So haben beispielsweise zwei der größten Streamer Deutschlands MontanaBlack88 und TheRealKnossi ein wahres Entertainment Imperium aufgebaut. Mehrmals die Woche schauen im Schnitt 40-50.000 Menschen gleichzeitig ihre Streams und genießen den einzigartigen Humor der beiden. MontanaBlack88 verzeichnet über 2,5 Mio. Follower, TheRealKnossi immerhin über 850k. Parallel werden die Highlights auf YouTube hochgeladen und fördern das Wachstum auch dieses Kanals.

 

Monetarisiert werden kann die Plattform durch Placements oder die Möglichkeit, ein Abo (Subscription) auf dem Kanal zu hinterlassen. Das pusht den Streamer. Ist man Amazon Prime-Kunde ist ein Abonnement sogar kostenfrei. Darüber hinaus kann gespendet werden. Der Streamer bekommt eine Nachricht auf seinem Bildschirm angezeigt, die einige tausend Zuschauer live sehen können und meist auch noch vorgelesen wird.

 

Die neuesten Tendenzen zeigen, dass das Game selbst gar nicht mehr im Fokus steht, sondern vielmehr die Personenmarke dahinter, die, die es spielt: So wurde neben den verschiedenen Computerspielen, die in Form der Kategorie ausgewählt werden können, nun auch "Just chatting" hinzugefügt, ein Element, dass es ermöglicht, mit seinen Followern zu sprechen. Geschichten aus dem Alltag, "Realtalk" über relevante Themen, Q&As und vieles mehr stehen auf dem Programm.

 

Ein weiterer beliebter neuer Trend ist es, YouTube Videos gemeinsam mit seinen Zuschauern anzusehen und zu feedbacken. Das Gute ist, es wird neuer relevanter Content generiert. Denn die Fanbase will mehr über ihre Lieblings-Streamer erfahren.

 

Mit Blick auf die aktuelle Krise ist man noch regelmäßiger und durchaus auch noch länger in den sozialen Netzwerken unterwegs auf der Suche nach Entertainment und dem persönlichen Austausch. Da Videos keine Möglichkeit der direkten Interaktion bieten, wird eher zu Streams gegriffen. Hier trifft man Menschen mit derselben Vorliebe, kann sich unterhalten und hat sogar die Möglichkeit, Einfluss auf das Programm zu nehmen, sowie mit dem Streamer selbst zu sprechen. Viele Influencer aus anderen Bereichen entdecken das jetzt auch für sich und bauen ihre Twitch-Kanäle auf: Man setzt in täglichen oder mehrmals die Woche stattfindenden Livestreams viele Impressionen und kann binnen kurzer Zeit eine große Nähe zur Community aufbauen und diese stärken. Da das Programm nicht immer einem roten Faden folgen muss, kann man auch nebenher streamen, wenn man gerade sowieso am Computer aktiv ist. Einige zeigen bspw. ihre Shopping Tour live, andere klicken sich durchs Netz und lesen gemeinsam Artikel, andere machen ihren Stream an, um sich etwas von der Seele zu reden.

Wür wen eignet sich Twitch?

Unternehmen sollten umdenken: Twitch ist nicht mehr nur eine Plattform, auf der man Influencer aus der Gaming-Industrie findet, sondern dort halten sich auch viele Influencer aus ganz anderen Nischen und Bereichen auf. Und die Bindung eines Streamers zu seiner Community ist einzigartig wie kaum ein Influencer sie besitzt, der mehrere Stunden die Woche mit seinen Followern spricht, sich austauscht und lacht. Dadurch entwickeln viele ein parasoziales Verhalten und die gemeinsam verbrachte Zeit sorgt dafür, dass man das Gefühl hat, einen neuen Freund fürs Leben gefunden zu haben. Für viele ist das eine Möglichkeit, Nähe in Zeiten von Ausgangssperren und Einschränkungen zu erfahren. Platzierungen sind hier stärker als bezahlte und geschaltete Werbung, da die treuesten Fans, diese sowieso nicht angezeigt bekommen, denn ein Abo ermöglicht das Schauen des Streams ohne Werbeanzeigen.

 

Selbst einen Kanal zu starten, empfiehlt sich nur als Person, nicht aber als reines Unternehmen. Die persönliche Marke ist der Erfolg der Kanäle. Dabei ist es vor allem wichtig, aufzufallen und seine eigene Interpretation vom Streaming zu zeigen. Es gibt Streamer die aus verschiedenen Winkeln ihr Set-up zeigen, von einem coolen Gaming-Zimmer aus übertragen, wie z. B. ein FlyingUwe87 aus Hamburg, dessen Spielezimmer wahrscheinlich der Traum vieler Zuschauer sein dürfte, ein TheRealKnossi ist in seinen Streams einfach laut und entertained, rastet aus und greift zum Megaphone während MontanaBlack88 einfach er ist und mit seiner authentischen Redensart die Leute für sich gewinnt.

 

Twitch ist eine Möglichkeit persönlich zu wachsen, seine Wirkung auf andere kennen zu lernen und sich bewusst zu machen, zugleich aber auch eine Herausforderung ein "Programm" für mehrere Stunden abzuliefern, dass Menschen dabeibleiben wollen und nicht wegklicken.