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Die schlummernden Markenpotenziale

Was Sie über Branding und Markenführung bei mittelständischen Lieferanten des LEH wissen sollten.
Ulrich Görg | 02.01.2009
DIE SCHLUMMERNDEN MARKEN-POTENZIALE – über Branding und Markenführung bei den mittelständischen Lieferanten des LEH

Rund 6.000 kleine und mittelständische Hersteller buhlen um die Gunst der Verbraucher bzw. einen Regalplatz im Handel. Dort präsentiert sich den Konsumenten ein Sortiment von mehr als 200.000 Artikeln. Keine Frage - in kaum einer anderen Branche ist der Verdrängungswettbewerb derart intensiv.

Angesichts dieser immensen Angebotsvielfalt verwundert es kaum, dass die Produkte immer austauschbarer werden. Für das einzelne Leistungsangebot wird es also immer schwieriger, beim Konsumenten in das sog. „relevant-set“ zu gelangen.

Differenzierung wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Dies gilt in besonderem Maße für die kleineren, häufig mittelständisch strukturierten Lieferanten im LEH. Denn sie arbeiten - im Gegensatz zu den FMCG-Multis und Familienkonzernen - in der Regel mit erheblich geringeren personellen und finanziellen Ressourcen und oftmals ganz ohne Werbung. Gerade deshalb sollte die strategische Positionierungsarbeit hier die Kernaufgabe des Managements sein.

Doch die Realität ist ernüchternd. Von der „big idea“, innovativem Branding, einer klaren Markenstrategie, einem attraktiven und konsistenten Erscheinungsbild der Marke und einer integrierten Verzahnung von Unternehmens- und Produktmarke ist wenig zu spüren. Entsprechend hoch sind die Optimierungspotenziale.

Unternehmensmarke: Häufig sind Produkt- und Unternehmensmarke identisch - Resultat einer langen Tradition, die auf den Namen des Gründers zurückzuführen ist. Doch die wenigsten Unternehmen präsentieren sich auch als Unternehmensmarke. Denn schon an diesem Punkt beginnt die Markendifferenzierung.
Was fehlt, ist ein strategisch entwickeltes Markenfundament (Vision, Mission, Werte), welches die Einzigartigkeit des Unternehmens reflektiert (Bsp. Grafschafter Krautfabrik, sh. www.grafschafter.de, Kochs Merrettich, sh. www.kochs.cc). Zudem dient ein strukturiertes und gelebtes Unternehmensleitbild dem Image - intern wie extern.

Markendifferenzierung: In der Eigendarstellung der KMU fehlt es vielfach an einer differenzierten Beschreibung der Marke. Die Chance, sich durch Emotionen oder eine bewusste Andersartigkeit zu positionieren, bleibt ungenutzt. Stattdessen begegnet man einer Begrifflichkeit, die ohnehin schon arg strapaziert ist: der Qualität. (Bsp. Develey Senf, sh. www.develey.de; Popp Feinkost, sh. www.popp-feinkost.de). Doch Qualität ist generisch und Plattitüden können sich nicht nachhaltig im Konsumenten-Bewusstsein verankern.

Branding: Komposition, Orchestrierung und Choreografie der Markenelemente sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Es sollten alle gestalterischen Maßnahmen, die eine Differenzierung ermöglichen, genutzt werden. Insbesondere kann die Positionierungsaussage, auch Claim oder Slogan genannt, empfohlen werden. Denn hier lässt sich in wenigen Worten sagen, wofür das Unternehmen steht, welche Leistung das Produktangebot einzigartig macht bzw. warum der Konsument das Produkt kaufen soll. Damit ist der Claim ein wirksames Wertschöpfungsinstrument der Markenführung. Eine Reihe von Herstellern nutzen diese Möglichkeit nicht (Bsp. Ruf, Backzutaten + Desserts, sh. www.ruf-lebensmittel.de; Omira/Albmilch, sh. www.albmilch.de). Auch der Einsatz von Hörzeichen (Acoustic Branding), Sujets oder Werbefiguren (Vorbilder: Meister Proper, Michelin-Mann) ist leider eher die Ausnahme.

Markenerlebnis: Konsistenz und Konsequenz in der Markenführung ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Markenverantwortliche sollten daher akribisch darüber wachen, dass das Markenerlebnis für den Kunden an möglichst allen relevanten „consumer touch points“ durchgängig ist. In vielen Fällen gibt es noch Optimierungsbedarf (Bsp. Paulus Feinkost, sh. www.b-paulus.de; Dreyer Honig, sh. www.dreyer-bienenhonig.de, ). Und Konsumenten haben ein feines Gespür dafür, wann etwas stimmig ist oder nicht.

Internetauftritt: Die Website ist die Visitenkarte des Unternehmens. Sie spiegelt den Umgang mit der Marke wider – Grund genug, sich von der besten Seite zu zeigen und Stilbrüche zu vermeiden. Doch häufig wirken Websites „wie selbstgestrickt“ und zwischen dem Anspruch und der handwerklichen Umsetzung gibt es erhebliche Diskrepanzen (Bsp. Fürsten-Reform/Biophar Honig, sh. www.biophar.de; Seitenbacher Müsli, sh. www.seitenbacher.de). Von der Qualität des Logos und der Texte, der grafischen Gestaltung und der Menuführung bis hin zu den Bildwelten - auch der Internetauftritt sollte sich an einer verbindlich festgelegten Brand Identity ausrichten.

Markensystem: Weil Aufbau und Kommunikation jeder Marke i.d.R. viel Zeit und Geld kostet, wird meist mit der Monomarkenstrategie agiert. Sie hat sich vielfach bewährt. Jedoch ist nicht immer klar erkennbar, welche Rolle eine Angebotsmarke innerhalb des Markensystems übernimmt bzw. wie sie sich im Gesamtsortiment abgrenzt (Bsp. DöllingHareico, sh. www.doellinghareico.de). Im Einzelfall kann es sinnvoller sein, kleinere Angebotsmarken aufzugeben und der Masterbrand unterzuordnen (Bsp. Vicelli Kuchenriegel, sh. www.kuchenmeister.de). Denn das stärkt die Dachmarke und erhöht die Synergieeffekte.

Fazit:
Gerade die Markenverantwortlichen im Segment KMU sollten sich stärker bewusst machen, dass eine strategisch fundierte Positionierung, ein professionelles Branding und eine konsequente Markenführung einen erheblichen Beitrag zum gesamten Unternehmenserfolg leisten. Bei Bedarf sollte externer Rat hinzugezogen werden. Dass sich die Mühe lohnt, lässt sich auch am Markenwert ablesen, der -spätestens bei einem Markentransfer oder Unternehmensverkauf - ermittelt werden sollte.

Ulrich Görg, Görg Consulting,

Hamburg, im November 2006

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