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Vertikalisierung im Vertrieb

Wer nicht kooperiert – verliert
Ulrich Eggert | 16.09.2010
Wer sich heute im Markt alleine durchsetzen will, braucht Zeit und Geld. Aber – wer hat heute schon ausreichend Zeit und Geld?
Das Angebot auf dem deutschen Markt wird immer differenzierter, denn die Globalisierung bringt es mit sich, dass jeder auf dem deutschen Markt vertreten sein möchte. Das Ergebnis ist ein knallharter Wettbewerb um die Gunst der Verbraucher, die auch nicht das tun, was sie sollen: Sie kaufen immer weniger ein!
Seit der Wiedervereinigung ist der Konsumgüterhandel in Deutschland nicht mehr gestiegen, er pendelt zwischen 370 und 400 Mrd. € Jahresumsatz (ohne Kfz und Kraftstoffe). Der Handel hat darauf eine Antwort gefunden: Er schließt sich immer mehr zu Einkaufsvereinigungen, den Verbundgruppen, zusammen und versucht so, an Marktmacht zu gewinnen. Konzerne und andere Großunternehmen schaffen Handelsmarken und versuchen, die Industrieunternehmen per Vertrag an sich zu binden. Der Handel bildet verstärkt Systeme und es ist ein Leichtes festzustellen, dass die Unternehmen, die in Systemen integriert sind, erheblich an Marktanteilen gewinnen, wohingegen diejenigen, die nur „einfach“ kooperieren, sich im Markt halten können, und diejenigen, die alleine arbeiten, Anteile verlieren.
Und die Industrie? Was ist ihr Konzept?
Auch sie kooperiert immer mehr, vor allen Dingen in Bereichen wie F&E, Logistik, Informationstechnologie usw. Weltkonzerne wie im Automobilbereich kooperieren auch mit Wettbewerbern, weil sie erkannt haben, dass sie die Probleme der Zukunft nicht immer alleine bewältigen können.
Seit einiger Zeit, verstärkt im neuen Jahrtausend, ist aber auch festzustellen, dass zunehmend Industrieunternehmen im Vertrieb kooperieren – und zwar auf der einen Seite mit anderen Industrieunternehmen oder auch lateralen Partnern, um zum Beispiel die Expansion im Ausland voranzutreiben, auf der anderen Seite nehmen jedoch auch Kooperationen mit den Vertriebspartnern zu. Das bedeutet, die Industrie vertikalisiert sich.
„Bist Du nicht stark genug, musst Du schlau sein.“ Die Zeichen der Zeit laufen darauf hinaus, dass Industrieunternehmen verstärkt ihre Vertriebspartner sichten und sich geeignete Unternehmen auswählen, mit denen sie vertragliche Systeme für einen gesicherten oder zumindest kontrollierten Vertrieb ihrer Produkte aufbauen können.
Die textile Kette ist hier seit Jahren Vorbild, angefangen mit Unternehmen wie C&A, die bereits in den 1950er Jahren mit Vertragslieferanten Eigenmarken entwickelt haben, fortgesetzt mit Unternehmen wie Benetton, die vertikale Franchisesysteme aufgebaut haben, und dann mit Unternehmen wie ZARA, die den Vertrieb komplett in die eigene Hand genommen haben, indem sie ihren gesamten Vertrieb über eigene Filialen steuern. Die erste Branche jedoch, die auf diesen Zug gesetzt hat, war wohl die Kfz-Branche. Wer heute etwa einen BMW oder Mercedes kauft, kauft z. T. unbemerkt mit über 50%iger Wahrscheinlichkeit direkt beim Hersteller selbst, bei VW sind es vorwiegend Franchise-Partner.
Die Ursachen für die Vertikalisierungsbemühungen sowohl aufseiten der Industrie wie aufseiten des Handels sind darin zu sehen, im Wettbewerb Vorteile gegenüber anderen Organisationen zu gewinnen und diese im Markt durchzusetzen. Wichtige Grundlagen hierfür sind Verträge zwischen den Unternehmen – also Kontraktvertrieb wie Franchise, Agenturverträge und ähnliche Funktionsauslagerungsverträge. Sehr häufig werden Vertikalisierungsbemühungen mit Shop-in-Shops gestartet, die in Flächenbewirtschaftung (Concessions etc.) übergehen und langfristig in eigenen Geschäften bzw. Franchiseoutlets münden können. Das Thema Mergers & Acquisitions (M&A) ist in diesen Konzepten eine Randerscheinung, aber E-Business im Sinne von elektronisch geführter Gesamtlogistik im Hintergrund ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen dieser Konzepte.
Eine zweite, weitere wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Vertikalisierung ist Corporate Identity (CI). Corporate Identity, verbunden mit einer geeigneten Markenpolitik, ist die Basisstrategie, um sich im Wettbewerbsmarkt mit eigenen oder gesteuerten Outlets durchsetzen zu können. Vertikalisierung ohne starke Marke ist zum Scheitern verurteilt!
Die Chancen und Risiken der Vertikalisierung sind vielfältiger Natur – und in den letzten Jahren versuchen die Unternehmen zunehmend, eine Risikominimierung durch Outsourcing auch in der Vertikalisierung vorzunehmen. Dazu bilden sie Netz-geführte Marken (NGM), also letztlich virtuelle Unternehmen, die sich auf die Marke konzentrieren und alle übrigen Aktivitäten an Dritte auslagern. Das geht so weit, dass selbst die Produktion ausgelagert wird und Netz-geführte Marken sich auf ihren Kern zurückziehen, nämlich die Markenführung, und Produktion, Handel, Controlling, Forschung & Entwicklung und alles Weitere auf Dritte verlagern.
Vertikalisierung ist nicht nur einfach eine Modeerscheinung, sondern ein Konzept, um im Rahmen der Efficient Consumer Response (ECR) eine dreifache Gewinnsituation zu erreichen: Für den Kunden, für den Handel und für den Lieferanten. Vertikalisierung wird sich zunehmend in allen Branchen durchsetzen und das Ergebnis wird sein, dass immer mehr Systeme im Markt einander gegenüberstehen und weniger einzelne Unternehmen. Die Systemzugehörigkeit wird in Zukunft für Industrie und Handel im Konsumgüterabsatz entscheidend sein – das können horizontale Filialsysteme sein oder eben vertikale Verbundsysteme zwischen Industrie und Handel.
Details zu diesen Ausführungen finden Sie in der Studie „VERTIKALISIERUNG IM VERTRIEB“ der Ulrich Eggert Consulting.Köln, die auf über 300 Seiten mit ca. 200 Abbildungen verschiedene vertikale Strategien im Detail erläutert. Ergänzend dazu findet am 9. November 2010 in Köln die Veranstaltung „FORUM SYSTEMWELTEN UND KOOPERATION“ statt. Zu beiden Projekten mehr unter www.ulricheggert.de.