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Deutsche Automobilindustrie erhält in China einen kräftigen Dämpfer

Absatz der deutschen Hersteller ging 2015 erstmals zurück – während der Gesamtmarkt um neun Prozent wuchs.
Ernst & Young GmbH | 15.02.2016
Jahrelang gingen die Absätze deutscher Autohersteller in China nur in eine Richtung – nach oben. 2015 haben sie auf dem für sie wichtigsten Einzelmarkt dagegen einen Dämpfer erhalten und gingen erstmals zurück. Die deutschen Hersteller zusammen konnten im vergangenen Jahr noch 4,4 Millionen Fahrzeuge in China verkaufen, das ist ein Prozent weniger als noch im Vorjahr. Und das während die Konkurrenz zulegen konnte: Der Gesamtmarkt in China stieg um neun Prozent an. Etwas mehr als 20 Millionen Autos konnten die Hersteller im vergangenen Jahr dort insgesamt verkaufen.

Die Folge: Auch beim Marktanteil verloren die deutschen Autobauer an Boden. Zusammen kamen sie auf einen Marktanteil von knapp 22 Prozent – 2014 waren es noch 24,2 Prozent und im bisher besten Jahr 2012 war mit einem Anteil von 25,4 Prozent sogar mehr als jedes vierte Auto auf Chinas Straßen ein deutsches Fabrikat.

Für den Einbruch verantwortlich ist vor allem der Rückgang bei der Volkswagen-Gruppe, die von allen deutschen Herstellern am meisten vom chinesischen Markt abhängig ist: Die Wolfsburger verkaufen mehr als jedes Dritte Auto in China. Die Verkaufszahlen in China und der Anteil des Marktes am Gesamtabsatz des Konzerns ging jetzt aber zurück – um einen Prozentpunkt auf 36 Prozent. In China selbst betrug der Volkswagen-Anteil am Gesamtmarkt nur noch 17,7 Prozent – das sind 2,3 Prozentpunkte weniger als 2014 und bedeutet den niedrigsten Wert seit 2010.

Auch für BMW machte der chinesische Markt einen Prozentpunkt weniger am weltweiten Absatz aus – 21 Prozent aller Fahrzeuge verkaufte der Münchener Konzern dort im vergangenen Jahr. Der Anteil am Gesamtabsatz sank leicht von 2,5 auf 2,3 Prozent.

Einzig Mercedes-Benz Cars konnte sich in China steigern, kommt allerdings auch von einem niedrigeren Niveau als die Konkurrenz und konnte an der Gesamtentwicklung wenig ändern. China machte für den Stuttgarter Konzern 19 Prozent des Gesamtgeschäftes aus, nach 18 Prozent im Vorjahr. Der Marktanteil in China stieg leicht von 1,7 auf 1,9 Prozent.

Das sind Ergebnisse einer Analyse der Prüfungsgesellschaft EY, für die die weltweiten Pkw-Verkäufe der Automobilkonzerne analysiert wurden[1].

„2015 hat die deutsche Automobilindustrie in China wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt“, sagt Peter Fuß, Partner bei EY. „Die Zeiten des ungebremsten Wachstums dort sind vorbei, der Markt normalisiert sich wieder, und gerade ausländische Anbieter hatten es im vergangenen Jahr in China schwer.“ So legten die einheimischen Marken nach Zahlen des Chinesischen Automobilverbands im vergangenen Jahr um 15 Prozent zu, während ausländische Marken gerade einmal ein Wachstum von zwei Prozent verzeichneten.

PKW-Dichte in China noch verhältnismäßig niedrig


Das heiße nicht, dass es in den kommenden Jahren kein Wachstum mehr geben werde – aber eher nicht mehr mit den zweistelligen Wachstumsraten wie in der Vergangenheit, so Fuß. „Noch immer besitzen verhältnismäßig wenige Chinesen ein Auto – auch im Vergleich zu anderen Schwellenländern“. Im vergangenen Jahr ist die Motorisierungsrate – also die Zahl der Pkw je 100 Einwohner – in China von 8,5 auf 9,6 gestiegen. Zum Vergleich: In Deutschland lag sie Ende 2015 bei 55,1 – also knapp sechsmal so hoch. Aber auch in Brasilien und in Russland ist die Pkw-Dichte mit 15 bzw. 26 Pkw auf 100 Einwohner noch immer deutlich höher als in China[2].

Diese Zahlen zeigen, dass das Ende des Absatzwachstums in China noch keineswegs in Sicht sei, so Fuß: „Durch steigenden Wohlstand wächst in China eine statusbewusste Mittelschicht heran, die sich etwas leisten kann und will. Dazu gehören unter anderem auch Autos ‚Made in Germany‘.“

Automobilindustrie wächst insgesamt in China langsamer


Doch auch die weltweite Konkurrenz muss sich künftig auf niedrigere Wachstumszahlen einstellen. Die neun Prozent Wachstum 2015 markieren einen Rückschritt nach 23 Prozent Wachstum im Jahr 2013 und 13 Prozent Wachstum 2014. Insgesamt haben sich die Pkw-Verkäufe in China in den vergangenen zehn Jahren um 537 Prozent gesteigert und damit mehr als versechsfacht. Weltweit legten die Pkw-Verkäufe im gleichen Zeitraum um 45 Prozent zu – ohne den chinesischen Absatzmarkt wären es nur acht Prozent gewesen.

„Die rasante Entwicklung in China hat der Automobilindustrie in den vergangenen Jahren einen kräftigen Absatzboom beschert. Spätestens jetzt dürfte aber jedem klar sein, dass zweistellige Wachstumszahlen kein Naturgesetz sind“, betont Fuß. „Zumal im vergangenen Jahr staatliche Programme wie Steuererleichterungen für kleine Pkw den Absatzmarkt noch beflügeln mussten – ansonsten wäre das Wachstum deutlich schwächer ausgefallen. Zwischenzeitlich war der Pkw-Absatz sogar rückläufig, und erst die staatlichen Steuergeschenke haben wieder für Wachstum gesorgt – von dem allerdings vor allem einheimische Autobauer – insbesondere im Segment der kleineren SUV – profitieren konnten.“

Nahezu jedes dritte Auto weltweit wird in China verkauft


Dennoch bleibe China auf absehbare Zeit der wichtigste Automarkt der Welt. Innerhalb von zehn Jahren hat sich der Anteil Chinas am weltweiten Neuwagenmarkt mehr als vervierfacht – von sieben auf aktuell 31 Prozent. Im gleichen Zeitraum ging der Marktanteil Europas von 34 auf 22 Prozent und der Anteil der USA von 17 auf 12 Prozent deutlich zurück.

Auch für die deutschen Konzerne macht China 31 Prozent des weltweiten Absatzes aus. Das bedeutet zwar einen Rückschritt gegenüber einem Anteil am weltweiten Gesamtabsatz von 32 Prozent im vorherigen Jahr, markiert aber immer noch den zweithöchsten Wert überhaupt. Seit 2009 verzeichnen die deutschen Autokonzerne in China ein Absatzplus von 182 Prozent. Ohne den chinesischen Absatzmarkt wären die Verkäufe der deutschen Autobauer gegenüber 2009 nur um 35 Prozent gestiegen.

„Trotz des Rückschlags wird der chinesische Markt für die deutsche Automobilindustrie auch in den kommenden Jahren der wichtigste Wachstumstreiber bleiben“, sagt Fuß. „Sie hat erheblich in China investiert und sich immer stärker auf diesen Markt ausgerichtet – indem die Konzerne beispielsweise eigene China-Vorstände ernannt und dort massiv in den Aufbau einer Produktionskapazitäten investiert haben. Doch sie müssen sich darauf einstellen, dass das Wirtschaftswachstum in China insgesamt auf ein normaleres Maß zurückgeht – und sich nach weiteren Wachstumsfeldern umsehen.“

So könnten etwa die zehn ASEAN-Staaten in Zukunft einen ähnlich attraktiven Absatzmarkt bilden, wenn der gemeinsame Binnenmarkt nach europäischem Vorbild funktioniert. „Das ist aber mit Vorsicht zu genießen – einstige Hoffnungsträger wie Brasilien oder Russland haben sich nicht so entwickelt wie erwartet. Aber auch auf den weitgehend gesättigten Märkten in Europa und Nordamerika könnten neue Mobilitätsgeschäftsmodelle und innovative Lösungen wie autonomes Fahren weitere Impulse bringen.“

[1] Analysiert wurden nur die Pkw-Verkäufe (Volkswagen: alle Verkäufe ohne MAN und Scania; Daimler: Mercedes-Benz Cars) des jeweiligen Gesamtkonzerns.

[2] Alle Angaben EY-Berechnungen bzw. Schätzungen