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Interesse an Elektroautos steigt sprunghaft

Fast jeder zweite Neuwagenkunde will immer noch einen Verbrenner kaufen.
Ernst & Young GmbH | 30.06.2022
© freepik / frimufilms
 

Neuwagenkäufer in Deutschland stehen auf Strom: Der Anteil der Kunden, die sich ein Auto mit „Stecker“ kaufen wollen, liegt 2022 bei 35 Prozent. Vor zwei Jahren sagten gerade einmal sieben Prozent, dass sie sich ein Elektroauto als Neuwagen kaufen wollen. Das Interesse an elektrifizierten Mobilitätslösungen hat sich bei PKW in Deutschland damit seit 2020 verfünffacht – und liegt inzwischen auch deutlich über dem weltweiten Schnitt (30 Prozent).

Elektrifizierte Fahrzeuge liegen damit zwar weiterhin hinter klassischen Verbrennern: Etwas weniger als die Hälfte der Befragten sagt, dass ihr neues Auto mit Benzin (28 Prozent) oder Diesel (16 Prozent) angetrieben werden soll. In welche Richtung es geht, ist aber deutlich zu erkennen. Und auch die Politik treibt diese Entwicklung voran: Die 27 zuständigen Minister der EU-Mitgliedsstaaten einigten sich in der Nacht zu Mittwoch darauf, dass ab 2035 nur noch klimaneutrale Neuwagen verkauft werden dürfen. Dies bedeutet, dass Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotor ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich sein dürften. Ein finaler Kompromiss muss noch mit dem EU-Parlament ausgehandelt werden. Fahrzeuge, die bereits zugelassen sind, betrifft die Regelung nicht.

Der Blick zu unseren Nachbarn zeigt, dass fossile Antriebe auch hier aktuell noch beliebter sind als elektrische Alternativen: In Frankreich vertrauen 44 Prozent der Befragten auf Autos, betrieben mit konventionellen Kraftstoffen. Nur etwas weniger sind es in Großbritannien (41 Prozent). Dagegen sind vor allem Kunden aus China elektrifizierten PKW gegenüber schon jetzt deutlich aufgeschlossener, als es Neuwageninteressierte in Europa zum Teil sind. Im Reich der Mitte plant jeder Zweite (51 Prozent) ein rein elektrisches Auto oder einen Plug-In-Hybrid zu kaufen.

Das sind die Ergebnisse des EY Mobility Consumer Index 2022. Für die internationale Studie wurden knapp 13.000 Personen in 18 Ländern zu den Themen Mobilität und Verkehrsverhalten befragt – 1.000 davon in Deutschland.

Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West: „In China und Indien kommt die Elektrifizierung der Mobilität zu einer Zeit, in der sich Menschen aus der dort entstandenen Mittelschicht erstmals ein Auto leisten können. Dementsprechend offen sind sie für die verschiedenen Energiequellen, die dort konkurrieren. Europäische Kunden neigen dagegen dazu, dass kaufen zu wollen, was sie kennen und worauf sie seit Jahrzehnten vertrauen: Autos, angetrieben mit Benzin und Diesel. Hier haben es Elektroantriebe schwerer, sich am Markt durchzusetzen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt aber, dass elektrische Mobilitätslösungen kontinuierlich auf dem Vormarsch sind.“

Zudem verstärke der regulatorische Druck den Trend zur Elektromobilität, so Gall: „Immer strengere Abgasnormen und Klimaschutzziele führen ebenfalls dazu, dass die Automobilität auch in Europa mittel- und langfristig immer stärker elektrifiziert werden muss. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, die uns gerade schmerzlich vor Augen geführt wird, spielt hierbei ebenfalls eine Rolle – und den elektrischen Antrieben in die Karten. Die Hersteller arbeiten daher stetig und erfolgreich daran, noch alltagstauglichere Alternativen zu Benzin und Diesel zu liefern.“

Deutsche haben hohe Erwartung an Reichweite – nur französische Kunden anspruchsvoller

Aber: Dass Kunden weltweit noch überzeugt werden müssen, schlägt sich auch in Ansprüchen nieder, die an Elektroautos gestellt werden. Die befragten Verbraucher in Deutschland halten Stromer mit einer Reichweite von durchschnittlich 350 Kilometern für akzeptabel. Nur in Frankreich sind die Kunden noch anspruchsvoller, hier liegt der Mittelwert bei 378 Kilometern pro Ladung. Kurze Reichweiten (bis 160 Kilometer) sind in Deutschland nahezu gar nicht gefragt, über die Hälfte (58 Prozent) gibt an, dass die akzeptable Reichweite ihres PKW über 320 Kilometer liegen sollte.

Zum Vergleich: Im Schnitt haben Elektroautos aktuell nach Herstellerangaben eine Reichweite von circa 120 Kilometern (Kleinwagen) bis 600 Kilometern (SUV und Limousinen). Je nach Fahrweise, Gewicht des PKW und Temperatur kann diese aber abweichen.

Wichtig seien derzeit noch staatliche Unterstützungsmaßnahmen, sagt Peter Fuß, Partner bei EY: „Wir dürfen uns nichts vormachen: Für den Durchbruch des Elektroautos braucht es staatliche Zuschüsse. Das starke Marktwachstum in den vergangenen Jahren ist durch die Prämien getrieben. Fielen sie weg, würden sich viele potenzielle Käufer vorerst gegen das Elektroauto entscheiden. Aber zukünftig werden die Preise der elektrischen Autos fallen, Diesel und Benzin werden teurer. Die Rechnung geht immer häufiger zugunsten des Elektroautos aus. Perspektivisch wird man in einigen Jahren die Förderung auslaufen lassen können.“

Denn grundsätzlich ist das Interesse an voll- und teilelektrischen Antriebsarten da. Aber die deutschen Kunden haben vor allem Sorge, auf der Strecke zu bleiben – im wahrsten Sinne des Wortes. Das ihrer Meinung nach zu dünne Netz an Ladestationen (38 Prozent) und mangelnde Ladeinfrastruktur zu Hause und am Arbeitsplatz (37 Prozent) schrecken potentielle Neuwagenkunden hierzulande ab. Weitere Gründe, sich gegen ein E-Auto zu entscheiden, sind die lange Ladezeit (36 Prozent) und eine zu kurze Reichweite (34 Prozent).

„Der Ausbau eines Ladesäulennetzes muss noch stärker vorangetrieben werden. Hier hat Deutschland vor allem im ländlichen Raum und auf Autobahnen extremen Nachholbedarf“, sagt Gall. „Wenn eine Familie nicht – wie sie es von Autos mit herkömmlich Kraftstoffen gewohnt ist – mit einem kurzen Tankstopp in den Sommerurlaub fahren kann, wird sie sich nicht für ein Elektroauto entscheiden. Die Wirtschaft hat bei dem Thema vorgelegt, ist aber auch abhängig von der Politik. Hier müssen mehr Möglichkeiten zur Elektrifizierung unserer Straßen geschaffen werden. Denn diese ist ein unersetzlicher Baustein der Energiewende in Deutschland“, so Gall weiter.

Deutsche und US-Amerikaner wollen ihre Autos nicht teilen

Ein Auto nur selbst zu nutzen, ist vor allem US-Amerikanern (51 Prozent), Franzosen (46 Prozent) und Deutschen (40 Prozent) ausgesprochen wichtig. Kunden im asiatischen Raum können sich dagegen gut mit Car-Sharing-Angeboten anfreunden: So erklärten in Japan (21 Prozent) und China (24 Prozent) nur jeweils etwas weniger als ein Viertel der Befragten, dass ihnen ein eigenes Auto sehr wichtig sei.