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Transaktionsgeschehen in der Transport- und Logistikbranche stark rückläufig

Comeback transformativer Deals: Unternehmen tätigen Akquisitionen, um ihre Organisation an die großen Umbrüche der Branche anzupassen.
Transaktionsgeschehen in der Transport- und Logistikbranche stark rückläufig © freepik / rawpixel.com
 

Das Transaktionsgeschehen im Transport- und Logistiksektor ist in der ersten Hälfte des Jahres 2023 auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gesunken. Dieser Abwärtstrend setzte sich im dritten Quartal fort: Zwischen Anfang Juli und Ende September wurden weltweit nur 22 Deals ab einem Volumen von je 50 Millionen US-Dollar angekündigt – der niedrigste Wert der Branche für ein Quartal seit zehn Jahren.

Zu diesen Ergebnissen kommt die Sonderausgabe des „Transport & Logistics Barometer“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland und Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, anlässlich des 40. Deutschen Logistik-Kongresses. Für die Studie analysieren die Expert:innen regelmäßig die aktuellen Entwicklungen, Mergers & Acquisitions (M&A), Joint Ventures und strategischen Allianzen in der Transport- und Logistikindustrie. In der Sonderausgabe blicken sie zudem auf das Deals-Geschehen der vergangenen fünf Jahre zurück und diskutieren das strategische Potenzial von Transaktionen für die Transformation der Branche. 

„Bereits seit der zweiten Hälfte des Jahres 2022 ist das Transaktionsvolumen in der Transport- und Logistikbranche stark rückläufig. Gleichzeitig war der Druck auf Logistikunternehmen, ihre Transformation voranzutreiben, noch nie so hoch wie heute“, kommentiert Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC Deutschland. Der Experte ist davon überzeugt, dass Fusionen und Übernahmen als Katalysator dienen können, um den Wandel zu beschleunigen. Er beobachtet einen klaren Trend zu sogenannten transformativen Transaktionen: „Immer mehr Firmen nutzen Fusionen und Übernahmen gezielt, um ihre Organisation neu zu positionieren und für den langfristigen Erfolg neu zu erfinden.“

M&A-Aktivitäten könnten 2023 so niedrig ausfallen wie 2008

Bis Ende September wurden in der Logistikbranche allerdings nur 87 Deals mit einem Gesamtwert von 33,8 Milliarden US-Dollar angekündigt. Setzt sich dieser Trend im vierten Quartal fort, werden die M&A-Aktivitäten im Jahr 2023 so gering ausfallen wie zuletzt im Jahr 2008. Damals kam es in der Branche zu nur 111 Deals mit einem Gesamtwert von 55,0 Milliarden US-Dollar. Der diesjährige durchschnittliche Transaktionswert von rund 390 Millionen US-Dollar liegt jedoch aktuell im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre und im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2010.

Die im dritten Quartal angekündigten Deals zielten wie gewohnt vor allem auf Unternehmen aus den Bereichen Logistik, Güterverkehr und Schifffahrt ab. Nur ein sogenannter Mega-Deal mit einem Volumen von mehr als einer Milliarde US-Dollar kam hinzu. Seit Jahresbeginn wurden damit insgesamt fünf Mega-Deals angekündigt, die knapp die Hälfte (48 Prozent) des Gesamtwerts aller Deals in der Logistikbranche im laufenden Jahr ausmachen.

Investoren zeigen sich vorsichtig, Sales Multiples erreichen Höchststand

Gleichzeitig sinkt der Anteil der Transaktionen, an denen Finanzinvestoren beteiligt sind: 2023 entfielen bislang nur 33 Prozent des Gesamtwerts dieser Deals auf Finanzinvestoren – 2022 waren es noch 55 Prozent. André Wortmann, Koordinator Transport & Logistik Deals bei PwC Europe, erklärt: „Der Anstieg der Zinssätze hat die Finanzierung zuletzt erschwert. Institutionelle Investoren halten sich entsprechend zurück und konzentrieren sich auf die Wertschöpfung in ihren Portfoliounternehmen.“ 

Auch strategische Investoren zeigen sich vorsichtig. Sie sind jedoch bereit, einen höheren Preis für Targets zu zahlen, die strategisch perfekt passen. Das zeigt sich am Sales Multiple: Diese Kennzahl liegt aktuell im Median bei 2,1. Dies ist der zweithöchste Wert der vergangenen 15 Jahre; nur 2015 lag der Sales Multiple mit 2,3 noch höher. 2022 lag er bei 1,3; im Zehnjahresschnitt bei 1,8.

Unternehmen setzen auf vertikale und horizontale Übernahmen

Im Rahmen der Studie haben die PwC-Expert:innen die Übernahmen in der Branche seit 2018 ausgewertet und analysiert, wie die Unternehmen die Transaktionen nutzen, um ihre strategische Positionierung auszubauen. Dabei haben sie zwei Trends ausgemacht: Einerseits haben zahlreiche Transport- und Logistikfirmen ihre vertikale Integration vorangetrieben und über Transaktionen Teile der Wertschöpfungskette jenseits ihres Kerngeschäfts erworben. Für viel Aufmerksamkeit sorgten die Reedereien: Dank hoher Frachtraten in Folge der Corona-Pandemie nutzten sie die steigenden Einnahmen, um ihr Geschäft auszuweiten und sich durch die Übernahme von Logistikdienstleistern zu integrierten Service-Anbietern weiterzuentwickeln.

Andererseits setzte sich in den vergangenen Jahren der Trend zur Konsolidierung innerhalb der einzelnen Segmente der Wertschöpfungskette fort. Bei diesen horizontalen Transaktionen fokussierten sich die Unternehmen darauf, ihre geografischen Schwerpunkte auszubauen und weitere, branchenspezifische Fähigkeiten zu erwerben.  

„Die Hauptgründe für horizontale Übernahmen sind die Hoffnung auf Umsatzwachstum, Kostensenkungen durch Skaleneffekte und eine größere Marktmacht. Der Ausbau der Geschäftsaktivitäten soll auch zur Steigerung der Resilienz beitragen“, resümiert Ingo Bauer.

Transformative Deals im Aufwind

Es zeichnet sich zudem ein Comeback transformativer Deals in der Branche ab: Unternehmen tätigen gezielt Akquisitionen, um ihre Organisation an die großen Umbrüche wie Digitalisierung, Klimawandel oder Fachkräftemangel anzupassen, innerhalb ihres Kerngeschäfts zu wachsen oder in angrenzende Bereiche innerhalb der Branche oder über Branchengrenzen hinaus zu expandieren. 

„In den vergangenen drei Jahren hat ein deutlicher Mentalitätswandel stattgefunden: Immer mehr Unternehmen setzen auf transformative Deals, um neue Märkte, Kanäle, Produkte, Dienstleistungen, Kunden und Talente zu erwerben – und verstehen die Notwendigkeit, ihr Unternehmen für nachhaltigen Erfolg grundlegend neu zu positionieren“, sagt Miriam Kröger, Partnerin bei Strategy&. 

Sie beobachtet, dass Unternehmen den Integrationsprozess bei transformativen Deals heute deutlich früher einleiten und mehr Ressourcen zur Verfügung haben, um den Erfolg sicherzustellen. Auf dem Weg von einer reinen Transaktion zur langfristigen Transformation empfiehlt sie Unternehmen, sich auf die am schwierigsten zu integrierenden funktionsübergreifenden Bereiche und Prozesse zu fokussieren: „Insbesondere Technologie und Daten sind die wichtigsten Treiber für die Transformation.“ 

Zur Methodik: Die Studie basiert auf aktuellen Daten von Refinitiv und PitchBook.