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Soziale Netzwerke: Web 2.0 (er)leben -Medienkompetenz ist Schlüsselqualifikation

Ursula Heinen fordert Sensibilisierung für den Umgang mit persönlichen Daten
Berlin, Juni 2009. „Medienkompetenz ist heute eine Schlüsselqualifikation und muss unmittelbar nach Lesen, Schreiben und Rechnen bereits in der Grundschule gelehrt werden,“ forderte der Vorsitzende des Vereins „Deutschland sicher im Netz (DsiN)“ Professor Dieter Kempf am Ende der Abschlussveranstaltung des Projektes „Soziale Netzwerke: Web 2.0 (er)leben!“. Nur so könnten Kinder und Jugendliche für den bewussten Umgang mit persönlichen Daten wirksam sensibilisiert werden. Der Vorsitzende fasste am Ende die wichtigsten Themen der Veranstaltung zusammen, die von allen Beteiligten weiter bearbeitet werden sollen: eine Wertediskussion im Netz, Haftungsfragen, Frage nach Wortfiltern, das Spannungsfeld zwischen Sicherheitsbedürfnis einerseits und Anonymisierung andererseits, sowie eine bessere Altersverifikation der 12-16-jährigen.

Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ursula Heinen hatte als Schirmherrin die Initiative ergriffen und die DsiN-Mitglieder studiVZ, Deutsche Telekom und BITKOM haben das Projekt mit Unterstützung des Bundesverbraucherministeriums und des Bundesinnenministeriums umgesetzt. Zu Beginn der Veranstaltung hatte die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen angemerkt, dass „Soziale Netzwerke“ für den digitalen Verbraucherschutz eine große Herausforderung sind und forderte eine Sensibilisierung für den bewussten Umgang mit persönlichen Daten. Diese diene auch dazu, die gesellschaftliche Veränderung so zu begleiten, dass kein Druck entstehe, alles über sich preisgeben zu müssen, um „dazu zu gehören“.

Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Hans Bernhard Beus, betonte in seinem Grußwort, dass neben staatlichen Regelungen die Anbieter von Sozialen Netzwerken selbst Schutz bieten müssen ebenso wie sich die Nutzer selbst aktiv schützen müssen. Er sagte: „Datenschutz fängt bei der individuellen Entscheidung jedes Einzelnen an, ob bestimmte Daten im Internet gut aufgehoben sind.“ Maren Würfel, Mitarbeiterin im Bereich Medienpädagogik und Weiterbildung der Universität Leipzig, stellte in ihrem Vortrag „Wie Digital Natives heute online gehen“ eindrucksvoll dar, dass Soziale Netzwerke ein fester Bestandteil des Alltages Heranwachsender ist: „Da spielt sich so außerhalb der Schule das ganze Leben ab!“

Die Netzwerke von studiVZ verzeichnen 14 Millionen Nutzer pro Tag, die im Durchschnitt 30 Minuten im Netz sind, sagte der Geschäftsführer von studiVZ, Markus Berger de León. Er betonte, dass die VZ-Netzwerke deutschem Recht unterliegen im Gegensatz zu vielen anderen Sozialen Netzwerken. Das bedeutet, dass die Nutzerdaten ausschließlich den Nutzern gehören, Werbung zugeordnet werde, keine Sichtbarkeit für Suchmaschinen und Inhalte bestehe, die Profile, die gelöscht werden, sind unwiderruflich gelöscht. Berger de León machte deutlich, dass die meisten Nutzer nicht anonym bleiben wollen, das widerspräche ihren Vorstellungen und Wünsche an eine freie Kommunikation im Netz. Die Kandidaten aller Parteien stellten mittlerweile ihr Profil in die VZ-Netzwerke, wo sie über die Wahlzentrale abrufbar sind

Soziale Netzwerke fördern eine Politik der Beteiligung. Darüber waren sich alle drei vertretenen Hochschulgruppen einig. Katrin Helling, stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundesverbandes Liberaler Hochschulgruppen betonte, dass sie auf Freiwilligkeit und gesellschaftliche Kontrolle in den Sozialen Netzwerken setzen. Florian Hillebrand, Mitglied des Bundesvorstandes der JUSO-Hochschulgruppen forderte dagegen ein Internetgesetzbuch, in dem u. a. Definition und Gewährleistung von Privatsphäre in sozialen Netzwerken festgeschrieben werden und eine Demokratisierung sozialer Netzwerke. Gottfried Ludewig, der Bundesvorsitzende des RCDS setzt auf Transparenz. Die Nutzer müssen darüber informiert werden, was wirklich von ihnen gespeichert wird. Er sieht es als Aufgabe der Schulen an, Kinder zu einem „mündigen Mediennutzer“ zu erziehen.

In der Paneldiskussion „Vertrauen oder Misstrauen – Wer oder was schützt die Kinder in sozialen Netzwerken“, moderiert von Sabine Frank, Geschäftsführerin der FSM, wurde das Spannungsfeld zwischen Jugendschutz und Datenschutz deutlich. So forderte der Leiter von Jugendschutz.net, Friedemann Schindler, eine Eignungsprüfung für Netzwerkanbieter. Oberkirchenrat Markus Bräuer forderte als Medienbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland eine stärkere Einbindung von Eltern und Schule. Medienkompetenz sei heute die vierte Kulturtechnik nach Lesen, Schreiben und Rechnen. Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass auch die Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern Medienkompetenz erlangen. Der Jugendschutzbeauftragte von studiVZ, Philippe Gröschel, kritisierte, dass es in Deutschland bisher keine Identifizierungsmechanismen für Kinder im Netz gäbe. Auch der elektronische Personalausweis sei erst für 16-jährige geplant. Zudem fühlen sich die Anbieter oft zwischen Daten- und Jugendschutz zerrieben. Staatssekretärin Ursula Heinen möchte die Anbieter verstärkt zu pro-aktivem Vorgehen motivieren und sagte zu, die Frage der Haftungsfreistellung prüfen zu lassen.

In der zweiten Paneldiskussion zum Thema „Mehrwert der Daten in Sozialen Netzwerken – Werbung, Wahlkampf...und was noch?“ wurden die Probleme der Finanzierung von Sozialen Netzwerken durch Werbung diskutiert. Der Geschäftsführer von MySpace Deutschland, Joel Berger, betonte, dass sich die Sozialen Netzwerke bis zu 90 Prozent aus Werbung finanzieren. Die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge sei außerordentlich selten. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, sieht für Soziale Netzwerke einen Nachteil in anonymisierten Accounts. Zudem sieht er in der massiven Profilbildung das Problem für den Datenschutz; die Nutzer dürfen nicht Objekt der Datenverarbeitung werden. Auch der IT-Direktor im Bundesinnenministerium, Martin Schallbruch, macht deutlich, dass bei der Erstellung von Scoring-Listen der Einzelne nicht mehr bestimmen kann, was über ihn veröffentlicht wird. Die Leiterin der Grundsatzabteilung im Konzerndatenschutz der Deutschen Telekom AG, Dorothee Schrief, ist sicher, dass die Erkenntnisfähigkeit noch wachsen muss. Die Funktion der Sozialen Netzwerke und ihre positive Nutzung sind eine Herausforderung für den Datenschutz, darin waren sich alle Teilnehmer einig.



DsiN: Im Jahr 2005 haben sich große Unternehmen, Vereine und Branchenverbände zu der Initiative „Deutschland sicher im Netz“ zusammengeschlossen, um einen messbaren und praktischen Beitrag für mehr IT-Sicherheit zu leisten. Anlässlich des 1. IT-Gipfels der Bundesregierung im Dezember 2006 wurde aus der Initiative der Verein „Deutschland sicher im Netz e.V.“. Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble hat im Juni 2007 die Schirmherrschaft für DsiN übernommen. Produktneutral und herstellerübergreifend ist DsiN e.V. zentraler Ansprechpartner für Verbraucher und mittelständische Unternehmen.

http://www.sicher-im-netz.de