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US-Autobauer in der Krise

Massenentlassungen und Rabattschlachten auf Dauer nicht erfolgreich
Gunnar Sohn | 18.02.2008
Bonn/Detroit - Beim US-Autobauer General Motors (GM) http://www.gm.com nimmt man den Fuß vom Gaspedal und tritt auf die Bremse. Wie so oft besteht die Antwort auf einen Rekordverlust in einem radikalen Stellenabbau. In Nordamerika will man 74.000 Arbeitern Abfindungen anbieten, um sie los zu werden. Der Hintergrund: Im Jahr 2007 musste GM mit einem Minus von 40 Milliarden Dollar den größten Verlust seiner stolzen Firmengeschichte verdauen. Das Unternehmen leidet sowohl unter einem schwachen Heimatmarkt als auch einem kräftigen Absatzrückgang auf dem wichtigen deutschen Markt.



GM gilt seit mehr als 70 Jahren als der größte Autobauer der Welt. In Nordamerika vertreibt das im Jahr 1908 von William C. Durant gegründete Unternehmen die Marken Buick, Cadillac, Chevrolet, GMC, Hummer, Oldsmobile (die Traditionsmarke wurde bereits vor drei Jahren eingestellt), Pontiac und Saturn. In Europa vertreibt GM Cadillac, Chevrolet, Corvette, Opel, die Schweden-Kutsche Saab und Vauxhall. Im Jahr 1955 konnte GM noch als erstes amerikanisches Unternehmen einen jährlichen Umsatz von über einer Milliarde US-Dollar verkünden. 2007 waren es zwar stolze 181 Milliarden – doch waren dies zwölf Prozent weniger als im Jahr zuvor.



Die gesamte US-Automobilindustrie ist in schweres Fahrwasser geraten. Betroffen sind die „Großen Drei“ Chrysler http://www.chrysler.com, Ford http://www.ford.com und GM. Um den US-Automobilkonzern Ford steht es - vor allem in den USA – schon seit einiger Zeit schlecht so schlecht, dass sogar das blaue Ford-Logo wegen des sinkenden Absatzes in den Vereinigten Staaten und der schweren finanziellen Krise beliehen werden musste. Dabei könnten sich die Nordamerikaner von den Europäern abschauen, wie man erfolgreicher agiert, weil die Werke wettbewerbsfähiger und die Modellprogramme sauberer sortiert sind. Wegen der Fehlkalkulationen des Ford-Managements soll die Zahl der in den USA Beschäftigten nach Schätzungen von Experten von rund 89.000 Ende 2006 bis Ende 2008 auf nur noch 55.000 bis 60.000 sinken.



Vor allem die Asiaten – allein voran Toyota http://www.toyota.com – spucken den „Big Three“ in die Suppe. Toyota und Honda haben mit der Hybridtechnologie schon seit Jahren den Markt aufgerollt. Doch nicht nur die umweltfreundlichen und kraftstoffverbrauchsreduzierten Fahrzeugkonzepte der Asiaten überzeugen. Seit Jahren führt Toyota die Kundenzufriedenheits-Studie des US-Analysehauses J.D. Power http://www.jdpower.com an. Dies ist ein messbarer Erfolg für die richtigen Produkte und Dienstleistungen. Der Trend hin zu ansprechendem Design und sparsameren Autos wurde in den USA hingegen ignoriert. Sinkender Absatz und schlechte Ergebnisse sowie Marktanteilsverluste sind die Folge, der mit Werkschließungen und Personalabbau begegnet wird. Dass Konzerne wie General Motors oder auch Ford sich primär durch Werksschließungen und Entlassungswellen sanieren wollen, halten Branchenexperten für ein fragwürdiges Vorgehen des Managements.



GM schreibt tiefrote Zahlen, Toyota hingegen ist hochprofitabel und hatte für 2007 gemeldet, 9,37 Millionen Autos abgesetzt zu haben. Damit haben die Japaner mit dem in Detroit beheimateten Unternehmen gleichgezogen. 2008 dürfte für die Amerikaner kaum ein besseres Jahr werden, da sich die US-Wirtschaft im Abschwung befindet. Die je nach Beschäftigungsgruppen angebotenen Abfindungssummen sollen von 45.000 Dollar für Produktionsarbeiter bis 62.500 Dollar für Facharbeiter reichen. Voraussichtlich 15.000 bis 20.000 Arbeiter werden Abfindungsregelungen in Anspruch nehmen und den US-Automobilhersteller verlassen. Diese Schätzung äußerte der Präsident der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) http://www.uaw.org.

Das GM-Management hat bislang nach Zeitungsberichten noch nicht mitgeteilt, mit welcher Annahmequote sie für das Abfindungsprogramm rechnen. Der im vergangenen Oktober ausgehandelte Tarifvertrag sieht vor, dass GM neue Arbeiter für geringeren Lohn und zu schlechteren Konditionen einstellen kann. Neben GM bieten auch die beiden anderen großen in Michigan ansässigen US-Automobilhersteller Chrysler und Ford UAW-Arbeitern Abfindungs- und Frühruhestandsregelungen an. Aufgrund einer bestehenden Vereinbarung mit der Gewerkschaft könne der Konzern bis zu 16.000 hoch bezahlte Hilfskräfte, die nicht direkt in der Montage beschäftigt sind, durch billigere Kräfte ersetzen, schreibt die Tageszeitung Die Welt http://www.welt.de. Diese sollen dann die Hälfte der jetzt 28 Dollar pro Stunde verdienen. Inklusive Pensionsleistungen kostet ein Arbeiter den Konzern nach Darstellung der Detroit News rund 78 Dollar, neu eingestellt Hilfskräfte wie etwa Lagerarbeiter künftig nur noch 25,65 Dollar.

Da Opel http://www.opel.de rund 80 Prozent zum Europageschäft von GM beisteuert, sieht es Vorstandschef Rick Wagoner gar nicht gern, dass Opel 2007 zwar Gewinn gemacht, aber doch deutlich weniger Fahrzeuge in Deutschland verkauft hat als im Vorjahr. Der GM-Finanzchef Fritz Henderson drohte daher schon an, der Konzern werde mehr Stellen nach Osteuropa verlagern als bisher geplant. In Russland, aber auch in Lateinamerika und Asien laufen die Geschäfte angeblich besser als auf dem gesättigten und stagnierenden deutschen Markt. In Deutschland beschäftigt GM/Opel über 27.000 Mitarbeiter, die zunächst nicht von den Stellenstreichungen betroffen sein sollen. Einem früheren Sanierungsprogramm bei Opel fielen bereits 9.000 Jobs zum Opfer.

„Es ist schon jetzt abzusehen, dass auch diese Sparanstrengungen wieder einmal nicht reichen werden“, sagt Tobias Janßen, Vorstandschef der Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft Goldfish Holdings http://www.goldfish-holdings.de, die auch auf dem US-Markt aktiv ist. „General Motors bleibt aber wohl nichts anders übrig, als die organisierten Werksarbeiter von der Gehaltsliste zu streichen. Doch mit Sparen allein wird der angeschlagene Konzern, der wie Ford und Chrysler rote Zahlen schreibt, nicht den Weg aus der Krise finden. Erst wenn das Markenimage wieder stimmt und umweltbewusste, zeitgemäße Automobile aus den Werkshallen rollen, kann es wieder aufwärts gehen. Bisher haben die US-Autobauer auf dem eigenen Markt immer nur auf Rabattschlachten gebaut, um den Absatz zu steigern. Dadurch vernichtet man aber auf Dauer Werte.“




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Über Gunnar Sohn

Gunnar Sohn ist Freiberufler und u.a. Wirtschaftspublizist, Buchautor, Blogger, Medienberater, Moderator und Kolumnist.