print logo

Direct Marketing im Wandel

„Direct Marketing wird in naher Zukunft nichts Besonderes mehr sein. In jedem Unternehmen wird es Direct Marketing geben." (Buchbeitrag)
Heinz Dallmer | 08.01.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
http://buchblog.marketing-boerse.de
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenOM


Eine Vision, von einem der Autoren vor mehr als 20 Jahren auf einem Marketing-Kongress interpretiert und seinerzeit eine kühne Behauptung, ist längst Wirklichkeit geworden: „Direct Marketing wird in naher Zukunft nichts Besonderes mehr sein... im Umgang mit Kunden, im Umgang mit Medien. In jedem Unternehmen, in jeder Organisation wird es mehr oder weniger Direct Marketing geben, Wandel vollzieht sich zunehmend schneller“. Im Folgenden sollen die wesentlichen „Treiber“ für Veränderungen im Direct Marketing im Sinne einer Checkliste aufgeführt werden und auf den aktuellen Stand ohne Anspruch auf Vollständigkeit gebracht werden (vergleiche Heinz Dallmer (Hrsg.), Das Handbuch, Direct Marketing & More, 8. Auflage, Wiesbaden 2002). Als Empfehlung gilt, diese Einflussfelder auch in Zukunft in kurzen Abständen auf den Prüfstand zu stellen und Veränderungen bei Marketingentscheidungen zu berücksichtigen. Wir konnten bei dieser Vorgehens-weise bereits deutliche Veränderungen im Rückblick auf die letzten zwei, drei Jahre identifizieren und sehen im Wesentlichen sechs Einflussfelder für solche Treiber des Wandels:


Wandel der Medientechnik

Unzweifelhaft ist die technologische Entwicklung im Medienbereich einer der einflussreichsten Treiber für den Wandel in der Marketing-Kommunikation von Wirtschaftsunternehmen und dies gilt in besonderem Maße für das technikgetriebene Direct Marketing. Jeder Versuch, auch nur annäherungsweise den Anspruch auf einen vollständigen Überblick über alle diesbezüglichen Medienerscheinungsformen zu erheben, wäre verfehlt. Natürlich muss der Hinweis auf die für den Erfolg grundlegende Verbreitung des PCs inklusive hochentwickelter Software zum Beispiel für komplexe Database-Anwendungen, für Zielgruppenoptimierung beziehungsweise -profiling, für die Produktion individua-lisierter Werbeanspracheformen erfolgen. Wir wollen unterscheiden zwischen

• Wandel durch Hardware-Entwicklungen
• Wandel durch Software-Entwicklungen
• Wandel durch neue technikbasierte Nutzungsformen

Folgenschwere Konsequenzen hat sicherlich der von Fachleuten prognostizierte standortunabhängigen relative Bedeutungsrückgang des Desktops im Vergleich zur Nutzung von IT-Leistungen durch mailfähige PDAs oder WLAN-Technologie.

Da diese Nutzungsformen in der Regel nur auf eine Person bezogen sind, nämlich diejenige, die das Gerät benutzt, erhält die Individualität der Ansprache als ein Wesensmerkmal des Direct Marketing ganz neue Perspektiven. Stichworte sind: Mobilitätsmarketing, Hot Spot Marketing, Mobile Commerce.

Zum Hardwareaspekt zählt maßgeblich auch die dynamisch fortschreitende Medienkonvergenz, das heißt in diesem Fall die Verschmelzung von TV, Radio, Handy, Organizer und Internet zu einer quasi-synchronen Nutzung. Beispiel:

Bekleidungsmode wird emotional durch attraktive Models, unterstützt durch Musik, gefilmt in den schönsten Ferienressorts der Welt, via TV-Spot präsentiert. Zeitgleich oder direkt im Anschluss kann der Rezipient, über die gleiche Fernbedienung, über die gleiche TV/PC-Einheit, bei einer Auswahl von Händlern im Umkreis von maximal zehn Kilometern die Verfügbarkeit dieser Modeartikel prüfen, Preisvergleiche anstellen und die rationalen Informationen für die Kaufentscheidung erhalten. IT-Fachleute sehen bei der Hardwarenutzung die Inanspruchnahme weltweiter Kapazitäten voraus, die von Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, die diese in einem Zeitfenster kurz- oder mittelfristig nicht benötigen. Dieses Teilen der Computerleistung ist unter dem Begriff „shared computing“ bekannt. Die Intelligenz der Endgeräte beim Verbraucher konzentriert sich dann mehr und mehr auf Convenience-Aspekte der Nutzung. Parallel zu dieser Entwicklung sinken die durchschnittlichen Kosten für die Verarbeitung einer Dateneinheit, während die durchschnittlichen Speichervolumen auf zum Beispiel Terabyte-Größenordnungen wachsen. Das heißt, dass die Realisierung von Datawarehouses und Anwendungen im Rahmen des Customer Relationship Marketing nicht mehr so sehr durch Speicherkapazitäten beziehungsweise Speicherkosten belastet werden dürften.

Der Wandel durch Softwareentwicklungen wird mit Blick auf das Direct Marketing im Wesentlichen bestimmt durch immer leistungsfähigere, intelligente Analyse-Tools. Die Anwendung multivariater Verfahren – vor wenigen Jahren noch terra incognita – wird immer selbstverständlicher. Hierzu gehören auch die IT-gestützte Zielgruppendefinition Integration aller Parameter mit der Konsequenz, dass die perfektioniert werden kann. Zunehmen werden auch halb- bis vollautomatische Expertensysteme, die Datawarehouse-basiert zu objektivierten Entscheidungs-empfehlungen für den Direct Marketing Anwender im Unternehmen führen.

Die technische Entwicklung der Medienoptionen bringt bereits jetzt viele neue Nutzungsformen mit Auswirkungen auf das Direct Marketing mit sich. Als in regelmäßigen Abständen ergänzter thematischer Nachrichtendienst sei nur beispiel-haft das Blog-Marketing mit Blog, Weblog, Corporate Weblogs und Podcasting erwähnt.

Bereits fertig entwickelt sind Systeme, die unter Einsatz der Internetkommunikation automatisch Produkte oder Nachlieferungen bestellen. Die Gefriertruhe mit Öffnung an der von außen zugängigen Hauswand ist bereits machbar. Dabei wird der Füllstand mit bestimmten Gefriergütern einem Lieferdienst per Internet angezeigt, der wiederum für die Auffüllung ohne Einwirkung des betroffenen Haushalts sorgt.

Die eingebaute Intelligenz in Produkten, die sich im direkten Lebensumfeld der Zielgruppe befinden, sorgt für den Austausch von Ersatzteilen, wie zum Beispiel bei Lichtbirnen, bevor der Totalausfall eines technischen Produktes eintritt - vermittelt natürlich via Internet. Dies betrifft auch die sogenannten „ambient media“-Formate, die im „out-of-home“-Bereich definierter Zielgruppen planvoll eingesetzt werden. Produkte werden sensibel und reaktionsfähig. Ein Beispiel hierfür sind Funk-chip-RFID-Etiketten mit Temperaturmessung, die je nach Lagertemperatur beziehungsweise bei Unterbrechung der Kühlkette, das Verfallsdatum auf der Lebensmittelverpackung variieren -alles per remote-control über das WWW.

In die gleiche Kategorie gehört der „sensible PC“, der anhand von Vergleichen der Mimik seines Benutzers via Webcam, dessen Gemütszustand erkennt und die eingeblendeten Websites dementsprechend variiert und der Einsatz von „Hot Badges“. Das sind Namensetiketten mit Speicherdaten zum Beispiel über Hobbies, Interessengebiete und weitere persönliche Merkmale, die bei der Begegnung mit anderen Personen, aber auch beim Einkauf in Einzelhandelsgeschäften mit einem Vorrat gesuchter Produkte ein Signal bei Identität der Suchbegriffe abgeben.


Wandel der Nachfrage, Wandel des Verbrauchers

Die dargestellte, durch innovative Medientechnik veranlasste Nutzungsveränderung, wird begleitet durch einen auch allgemein wahrnehmbaren Wandel der Gesell-schaft, der zu Marketingtrends führt, die insbesondere das Direct Marketing beeinflussen.

Durch die berufliche Gebundenheit des Zwei-Verdiener-Haushalts, in dem zunehmend niemand mehr Zeit für das Einkaufen von Produkten des täglichen Bedarfs beim örtlichen Einzelhandel hat, nimmt das „armchair-shopping“, also der Einkauf vom Wohnzimmersessel aus, über die Medien zu, was nicht heißt, dass zum Beispiel das Luxus-Shopping nicht auch weiterhin real praktiziert wird.

Die Renaissance der „Tante-Emma-Läden“ ist nicht zuletzt eine Folge der zuneh-menden Anzahl von Singlehaushalten vor allem in Großstädten. Geschätzte 50 Prozent der Einwohner von Paris sollen allein und ohne Auto leben [1]. Dies hat Auswirkungen auf die Art des Einkaufens.

Weitere, durch den Gesellschaftswandel bedingte Trends sind „convenience“ und „simplicity“. Wer per iTV beziehungsweise Internet einkauft, kann „rund-um-die-Uhr“ einkaufen, braucht keinen Parkplatz und muss nicht an der Kasse anstehen. Das Sortiment ist mund- und gebrauchsgerecht aufzubereiten, Komplettlösungen werden sehr geschätzt. Man vermeide möglichst jeglichen intellektuellen Aufwand. Der Kunde liebt den Einkauf ohne „Denkhürden“. Da der Einkauf über Distanz als Risikokauf wahrgenommen wird, nimmt der Einfluss der „community“ zu. Gleichgesinnte verschaffen vermeintliche Sicherheit, das Richtige zu tun. Dies ist vergleichbar mit dem zur Zeit intensiv diskutierten Phänomen der „Schwarm-intelligenz“. Nicht zuletzt das begründet den Erfolg von Testurteilen anderer Käufer eines Produktes im Internet. Wandel wird auch bemerkbar durch Meidung von Produkten, deren großer Marketingaufwand zu deutlich für den Laien sichtbar wird.

Dies macht ängstlich, schürt Vorsicht und bedingt auch den Bedeutungsanstieg Empfehlungsmarketing. Zukunftsforscher vertreten die Überzeugung, dass von das Modell der Kleinfamilie in circa vierzig Jahren vom Schwarm, der aus dem eigenen Freundeskreis besteht, endgültig abgelöst wird [2]. Da die Ansprüche des Verbrauchers permanent steigen, zählen auch „Just-in-Time“-Angebote und „Speed-Marketing“ zu den Trends, die der Wandel des Verbraucherverhaltens bedingt. Kundenservice in Echtzeit: Reaktionszeiten von mehreren Tagen und wochenlange Lieferzeiten werden bei bestimmten Produkten kaum noch akzeptiert. Erwartet werden dagegen Sofortlösungen und -lieferungen.

Nicht zuletzt verursacht durch das deutlich gestiegene allgemeine Direct Marketing-Volumen kommt es zu einem Widerstandsverhalten des Verbrauchers, auch Reak-tanzen genannt, gegenüber direkten Kommunikationsinstrumenten, die in der Regel einen hohen Werbedruck erzeugen.

Zu beachten sind für den Wandel im Direct Marketing auch die Demographie-Änderungen der Gesellschaft:

• wachsende Marktmacht der Älteren mit hohem Einkommen und/oder Vermögen mit möglichen Verhaltenskonsequenzen wie Nostalgie-Luxus, Erlebnis-Luxus, Wellness- und Health- Luxus, Zeit-Luxus, aber auch Bedarf nach Schlichtheit in der Kommunikationspraxis.
• wachsende Marktmacht der Kinder und Jugendlichen.
• wachsende Marktmacht von Personen mit Migrationshintergrund [3].


Wandel des Angebots, Wandel der Produkte

Viel ist spekuliert worden über den hybriden Verbraucher, der sowohl in 1-Euro-Shops kauft, aber auch in Luxusboutiquen. Wie wird man diesem Verbraucher durch mediale Kommunikation gerecht? Doch nur, indem man ihm ein variables Produktangebot schnürt, das zielgruppen- und zeitgerecht und je nach persönlicher Gefühlslage vom jeweiligen Verbraucher wahrgenommen werden kann. Um dem anspruchsvollen Verbraucher zu entsprechen, wird zukünftig ein Zusammenspiel individualisierter von Feedback-Kommunikation via Direct Marketing und Fertigung, mit einem am Ende kundengerechten Produkt, erforderlich sein. Die Vision des Wandels geht weiter als das individuelle Maßoberhemd, sie meint Produkte, die es heute ausschließlich als reine Massenprodukte gibt.


Wandel der Methoden, der Strategien und der Kreativ-Umsetzungen

Die zunehmende Komplexität des Wissenspektrums um die Wirkungsmechanismen des Direct Marketing offenbart deutlich die Lückenhaftigkeit der Ausbildungs-möglichkeiten zu hoher Professionalität auf diesem Gebiet. Deswegen ist das Direct Marketing ein Eldorado für Experten und Berater. Es wird sich aber zunehmend eine Funktionskompetenz der Entscheider herausbilden, die mit Dienstleistern beziehungsweise Beratern auf gleicher Augenhöhe über den Einsatz von Methoden, über Strategien und deren kreative Umsetzungen entscheiden können.

Nachweisbar gibt es zwei gegenläufige Trends. So entwickelt sich die Massen-kommunikation tendenziell durch neue Technologien wie iTV zunehmend in die Richtung der Einzelkommunikation und die Einzelkommunikation durch industrielle Bearbeitungsmöglichkeiten von Großvolumen bei Mailings und durch Kommunikation. die Möglichkeiten des Internets zur „Massen“-

Zur Fachkompetenz bei Methoden zählt zum Beispiel das Wissen um das soge-nannte „Auditshifting“ und „Viral-Marketing”. Zwei neue Ansätze, die die Welt des Direct Marketing verändern können. Auditshifting meint zum Beispiel die Steigerung des Absatzpotentials durch Präsenz in TV-Verkaufsshows. Dabei bieten diese Präsenzen die Möglichkeit der Emotionalisierung und der Darstellung von Funktionen und Anwendungen von Produkten in Live-Darstellung, aber auch der Platzierung der gleichen Produkte auf Internetseiten mit sehr informativer, nachhaltiger Beschreibung, wie zum Beispiel durch Vertonung von Websites. Auf einer Fachkonferenz, an der einer der Autoren teilnahm, erhielt er Hinweise darauf, dass der gegenseitige Verweis auf die Nutzungsmöglichkeit des anderen Mediums bei den Verbrauchern, die beide Medienangebote wahrnehmen, in bestimmten Fällen zu höheren Umsätzen geführt haben als bei denen, die nur ein Medium genutzt haben.

Viral-Marketing, eine noch weitgehend unerforschte Methode, nutzt die Erkenntnis, dass beinahe zwei Drittel aller privaten Kaufentscheidungen von Freunden, Bekannten und Kollegen beeinflusst werden [4], da sie auf einer höheren Vertrauensgrundlage als bei professionellen Verkäufern basieren. Viral-Marketing versucht durch verblüffende, in der Regel hochkreative, manchmal sehr witzige beziehungsweise auch erotische Botschaften, zum Beispiel via Videoclips, möglichst viele Rezipienten zu „infizieren“. Diese wiederum leiten dann selbst die Botschaft im Original, manchmal versehen mit eigenen Kommentaren, an die eigenen Bekannten und Freunde weiter. Der Erfolg von YouTube, Clipfish und Co. läuft parallel mit dem Erfolg des viralen Marketing. Offenkundig oder unterschwellig liegt darin eine Empfehlungswirkung. Alles geschieht freiwillig. Aber wie gesagt, die Mechanismen sind noch weitgehend unerforscht. Es spricht aber viel dafür, dass diese neuen Erfahrungen auch das künftige Direct Marketing verändern können.

Auf die Frage, welche Managementmethoden in Zukunft Vorrang haben, erhielten Customer-Relationship-Management, kurz CRM, Wissensmanagement und Markt- und Kundensegmentierung bei vielen Untersuchungen vergleichsweise hohe Bewertungen [5]. Andere Untersuchungen über künftige Tendenzen insbe-sondere im Direct Marketing stellen einen engen Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Image und der Qualität der Werbemaßnahmen fest. Dies hat Auswirkungen auf die Akzeptanz.

Weitgehende Einigkeit besteht in der Einschätzung der Mediennutzung von Direct Marketing-Anwendern in der Zukunft mit häufigen Nennung von: Internet, aktives Telefon-Marketing, E-Mail-Marketing, adressierte Werbung, Anzeigen/Beilagen mit Response-Möglichkeit, Plakat- und Außenwerbung mit Response-Möglichkeit, passives Telefon-Marketing, unadressierte Werbung, Bannerwerbung, teiladressierte Werbung, TV-/Funkwerbung mit Response-Möglichkeit. [6]

In der Gestaltungsumsetzung werden möglichst alle Rückkanäle als Option für den Verbraucher gefordert, die einsetzbar sind.


Wandel der Rahmenbedingungen

Alle bisher dargestellten Veränderungsprozesse der Erscheinungsformen des Direct Marketing unterliegen der ceteris-paribus-Bedingung. Das bedeutet, der Bedingungsrahmen aller sonstigen Faktoren wird als gleichbleibend unterstellt. Niemand kann prognostizieren, wie sich der gesetzliche Rahmen, die Verfügbarkeit alter und neuer Medien oder Postbestimmungen ändern werden und aus welchen Änderungen sich Auswirkungen auf die bisher dargestellten Treiber ergeben. Auch Märkte, allgemeine Wettbewerbsverhältnisse, Medieninstitutionen können sich ändern. Und alles kann Einfluss auf den Wandel ausüben.


Wandel der Märkte – Internationalisierung

Das, was für den nationalen Markt erfolgreich getestet wurde, kann und sollte auch im internationalen Einsatz getestet werden. Hier unterliegt man allerdings häufig anderen, zum Beispiel logistischen Rahmenbedingungen wie dem der Postdienste, Direct Marketing-Infrastruktur, Medienangebote, nationalen Gesetze und anderen. Umgekehrt gibt es auch den Wettbewerb ausländischer Anbieter im heimischen Markt, häufig mit großer regionaler Authentizität der Angebote. Die Medien des Direct Marketing, insbesondere aufgrund ihrer relativen variablen Gestaltungsfähigkeit in der Sprache und „Grenzenlosigkeit“ eignen sich scheinbar besonders für einen internationalen Einsatz. Zu bedenken und zu testen ist, dass auch kulturelle Unterschiede undifferenziertem, zu unterschiedlichem Nutzungsverhalten bei einheitlichen Gestaltungseinsatz führen können. Auch das regulative Umfeld und die politische Stabilität, ein anderes Wettbewerbsumfeld und die vielleicht andere Medieninfrastruktur können sich auch in anderen Märkten permanent ändern. Empfehlenswert ist die Beobachtung solcher Verän-derungsprozesse durch Kontrollbestellungen in anderen Märkten und bei Wettbewerbern.


Folgerungen für die Zukunft - One-to-One im Jahr 2020

Die Direct Marketing-Welle rollt. Alle führenden Unternehmen haben in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts ihre Kompetenz auf dem Gebiet des Direct Marketing ausgebaut. Das Wachstum erfolgt zwangsläufig durch die Anforderungen, die Kunden an die Unternehmen stellen. Der Wunsch nach „individueller“ Betreuung ist seit Beginn des neuen Jahrhunderts dramatisch und rasant gestiegen. Beim „Live“-Bestellvorgang wird mit Hilfe ausgefeilter Datamining-Tools während des Call-Center-Gesprächs beziehungsweise während des Onlinebestellvorgangs in tausendstel Sekunden eine Analyse des Kunden- und Interessentenprofils durchgeführt, die ein maßgeschneidertes Angebot mit individuellem Preis, mit Anzeige auf dem Bildschirm des Kunden oder für die Beratung am Telefon ermöglicht. Dabei spricht man von einem „intelligent agent“. Der Kunde entscheidet sich für den Kauf eines Profil-adäquaten Produkts und bekommt es innerhalb von spätestens vierundzwanzig Stunden zugestellt oder kann es sich direkt, zusammen mit einer Clubkarte downloaden. Per Post erhält er zusätzlich noch ein Hochglanz-Kundenmagazin. Er gibt seine Zustimmung per Double-Opt-in, das einen regelmäßigen E-Mail-Newsletter ankündigt. Die Ursachen eines solchen auf den Kunden maßgeschneiderten Betreuungsprofils liegen in der erhöhten Wertschätzung des „Life-Time-Value“ des Kunden durch die Unter-nehmen. Zusätzlich nimmt der Anspruch der Gesellschaft nach individueller Behandlung, ein Trend, der eine Neudefinition des Marketing notwendig macht, zu. Obwohl bekanntlich zu jedem Trend ein Gegentrend existiert, ist in diesem Fall die Entwicklung vorausbestimmt. Die ständig steigenden Ansprüche des Kunden, die nicht zuletzt aus der „Verwöhnung“ durch eine ständig wachsende Anzahl von Angeboten und Informationen erwächst, ist ein Indiz für vermeintlich berechtigte Individualisierungsansprüche.

Bisher ergaben Statistiken [6, 8], dass Klassikwerbung wie Massenkommunikation zur Stützung von Marken, eher von großen Unternehmen genutzt wird, Direct Marketing eher von kleinen und mittleren Unternehmen, den sogenannten KMUs. Der relative Anteil der Direct Marketing-Investitionen verlaufe reziprok zur Größe des Unternehmens. Neueste Stichproben ergeben zunehmend Hinweise darauf, dass Großunternehmen bestärkt durch Marktforschungsergebnisse den Erwartungen ihrer Kunden entsprechen und Direktkontakte zu ihren bisher anonymen Kunden aufbauen. Hierzu nutzen sie die „neuen“ Medien des Direct Marketing, zu denen alle Erscheinungsformen des „Onlinekontaktes“ zählen. Diese Unternehmen haben aber auch gelernt, dass der Onlineerfolg per E-Offlinekommunikation wie zum Beispiel Print-Commerce häufig erst durch Werbung funktioniert. Marketingprofis wissen, dass man den Konsumenten die Wahl der Informationskanäle überlassen sollte, die sie präferieren, um nachhaltig Erfolg zu haben. Es gibt kein „anstelle“ sondern eher ein „sowohl als auch“. Die Internetrevolution hat zu einer Inflation gedruckter Dokumente geführt. Experten sprechen von mehr als 300 Milliarden Blatt Papier, die pro Jahr als Konsequenz von Internetinformationen über PC-Drucker ausgedruckt werden. „Was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen“. Bedrucktes Papier im Medien-Mix wird nicht verschwinden. Print-Medien wird ein vergleichsweise hohes Vertrauen entgegengebracht, was die Marke festigt [7, 8].

Jeder Kanal hat seine Bedeutung und seine Berechtigung. Nach jeder Einführung eines neuen Mediums gab es die Befürchtung, dass dem ein oder anderen “alten“ Medium das Ende oder mindest der Niedergang droht. Es darf die Behauptung gewagt werden, dass ein dramatischer Wandel im Medien-Mix des Direct Marketing nicht zu erwarten ist, eher ein Wachstum aller relevanten Medien auf höhere Niveaus. Der Kunde wird es entscheiden. Er hat immer das letzte Wort.


Literatur

[1] Paris Report in: Zukunftsletter, S. 5, 08/04.
[2] Milieu-Segment-Wandel, vergleiche KulturSpiegel 7/2006.
[3] Vortrag von E. Hering, Trends im Marketing, Stuttgarter Ideenbörse, 03/2004.
[4] H. Holland, in: FAZ, S. 20, 29.1.07.
[5] FAZ, 1.12.03.
[6] diverse Veröffentlichungen des Deutschen Direct Marketingverbandes DDV und der Deutsche Post Worldnet.
[7] vergleiche Marshall McLuhans These: the medium is the message.
[8] regelmäßige Veröffentlichungen über die Direct Marketing-Aktivitäten deutscher Unternehmen von Deutsche Post Worldnet, zum Beispiel Direkt Marketing Monitor, Direktmarketing Deutschland 2005, Studie 17.
Heinz Dallmer (Hrsg.): Das Handbuch, Direct Marketing & More. - 8. Auflage, Gabler, Wiesbaden, 2002.