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Wie die Betriebswirtschaft geheim verführt. Allein durch die Sprache.

Die BWL-Sprache spricht Bedürfnisse nach Balance und Dominanz an.
Was sind das für Menschen, die sich von strukturierter Planung verführen lassen?
Klaas Kramer | 08.06.2010
„Die Hierarchisierung der Planungsaktivitäten … stellt sicher, dass ein Zielsystem in einer Zweck-Mittel-Beziehung zum strategischen Positionierungsziel der gesamten Unternehmens- und Markenkommunikation steht.“ (Manfred Bruhn)

Verführung gelungen?

Ob wir etwas gut finden oder nicht, entscheidet sich in unserem limbischen System. (Es ist in uns, also entscheiden wir selbst – nur um Missverständnisse auszuräumen).
Der Hirnforscher Hans-Georg Häusel bringt es auf die einfache und anschauliche Formel, dass das limbische System den Ausgleich zwischen Stimulanz, Dominanz und Balance sucht. (Zur Abbildung)
Wo ein Mensch jeweils aktuelle ein Defizit spürt, danach dürstet es ihm.
Das Empfinden von langer Weile ist ein Defizit an Stimulanz, Überforderung und Stress ein Defizit an Balance. Wenn wir uns von jemanden belehrt fühlen, verspüren wir ein Defizit an Dominanz.

Welchen Zweck erfüllt die BWL-Sprache?

Die BWL Sprache bedient vor allem das Bedürfnis nach Balance: Aufrechterhalten der Illusion von Planbarkeit und Kontrolle, verbales Absorbieren von Unsicherheit, Zielorientierung zur Vermeidung von Verlaufen.
Natürlich erfüllt die BWL-Sprache auch Erwartungen an Dominanz: „Top-Down-Management weist den Weg zum Ziel und kontrolliert die Umsetzung. Und wehe, da gibt es ein Vollzugsdefizit – dann wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet!“ Die Verwandtschaft zur Militärsprache ist nicht zufällig.
Aber stimuliert die Sprache auch? Die Anschaulichkeit hält sich auf einem abstraktem Niveau. Es ist die Perspektive eines Planers, der von der Zielsetzung einen Weg und Maßnahmen benennt, die in der Zukunft stattfinden.

Inflation der BWL-Buzzwords

Nicht nur Softie-Begriffe wie der „Synergy-Effekt“ sind verpönt. Auch Begriffe wie „gezielt“ und „messbar“ haben bald den Zenit ihrer Suggestionskraft erreicht.
Ein übermäßiger Gebrauch solcher Buzzwords verwandelt einen straff gemeinten Text in eine wabernde BWL-Wolke aus Hülsenwörtern (im Gegensatz zu den liebenswerten Tag-Clouds).
Überall wo „gezielt“ drinsteht, soll das Ende aller Schwammigkeit und Theoretisiererei suggeriert werden: „Schluss mit der Laberei, jetzt wird endlich Geld verdient.“
„Messbar“ erfreut sich auch in ökonomiefernen Kreisen wachsender Beliebtheit. Kaum jemand fragt nach, was und wie genau gemessen wird. Oft verbirgt sich dahinter eine simple Erfolgskontrolle: Ja/ Nein.
Es ist nicht falsch. Auch das ist Messen. Es muss ja nicht immer eine physikalische Genauigkeit bis zur dritten Stelle hinter‘m Komma sein.

Wer muss wem was beweisen?

Dominanz wird gern durch Begriffe mit harten Konsonanten simuliert.
Mit „Key Performance Indicators“ (5 harte Konsonanten auf 8 Silben) kann man Harte-Fakten-Typen (6 harte Konsonanten auf 6 Silben!) beeindrucken, die bei „Social Media“ (klingt nach Plüschkuscheln und Träumen) die Augen verdrehen und ungeduldig auf die Uhr gucken, weil sie jetzt schon 20 Sekunden kein Geld klingeln haben hören.

Das sind Klischees?
Ja, das stimmt.

Die Prise Humor

Fairerweise möchte ich Herrn Bruhn nicht um den entscheidenden Begriff bringen, mit dem er oben gezeigten Text mit einem gewissen Humor anreichert:

„Die Hierarchisierung der Planungsaktivitäten im Gegenstromverfahren stellt sicher, dass ein Zielsystem in einer Zweck-Mittel-Beziehung zum strategischen Positionierungsziel der gesamten Unternehmens- und Markenkommunikation steht.“
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Über Klaas Kramer

Vermittlung von Konzepten, Denk- und Handlungsmodellen für Bewusstwerdungsprozesse zur Vorbereitung auf künftige Herausforderungen im Marketing-Mana