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Zielgruppen modellieren durch richtige Adressauswahl

Ein schlecht gestaltetes Mailing an die richtige Adresse ist erfolgreicher als das bestgestaltete Mailing an die falsche Adresse. (Buchbeitrag)
Rudolf Jahns | 01.12.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing

http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit


Wer glaubt heute noch an den Mailshot nach dem Gießkannenprinzip? Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass hier mehr Feingefühl gefragt ist. Varianten ein und desselben Mailings nach Einkaufsverhalten, Interessenlage, Kundenwert und Kundenpräferenzen sind fast schon an der Tagesordnung. Und doch: der Erfolg erhöht sich oft nicht im erwarteten Verhältnis zum Aufwand. Welchen Aufwand sollte man also treiben, um die richtige Adressauswahl zu treffen?


Ein schlecht gestaltetes Mailing an die richtige Adresse.... ist erfolgreicher als das bestgestaltete Mailing an die falsche Adresse.


Nun, Sie wissen, an wen Sie sich wenden wollen: Business-to-Consumer, Business-to-Business, an Kunden, an Interessenten oder an Prospects, also es geht um „New Business“. Vernachlässigen wir hier mal Kunden und Interessenten. Diese Adressbestände sind meist weitgehend aktuell und in Ordnung. Aber bei „New Business”, also der Neukundengewinnung? Über 15.000 Privatpersonen wechseln täglich ihren Wohnsitz und auch fast 700 Firmen pro Tag haben eine neue Adresse. Hinzu kommen Neueintragungen, Führungswechsel, Änderungen des Firmennamens und Firmenlöschungen. Hier auf dem Laufenden zu bleiben, ist nicht einfach, aber machbar. Denn es gibt Dienstleister, die sich genau auf diesen Bedarf der Wirtschaft eingerichtet haben. Dazu gehören Unternehmen wie die Deutsche Post, Axciom, Schober, Bertelsmann und andere.


Adressen sind mehr als Anschriften

Wenn man sich zunächst einmal selbst auf die Suche nach „Adressen“ macht, so ist festzuhalten, dass mit diesem Begriff nicht nur die Postadresse gemeint ist. Als Adresse wird im Dialogmarketing immer der gesamte Datensatz des Kunden/ Prospects bezeichnet.


Die Basisdaten

Den Kern dieses Datensatzes bilden die Grund- oder Basisdaten. Sie halten die wesentlichen Parameter fest, die den Kunden und seine Erreichbarkeit benennen. (Abb. 1, siehe Buch)

Adressdaten Business-to-Business
- Firmenname, Anschrift
- Internet-Adresse
- Telefon, Telefax, E-Mail
- Betreuende Geschäftsstelle
- Kundennummer
- Anrede  Kundennummer
- Name und Titel des Entscheidungsträgers
- Telefon (Durchwahl), Telefax, E-Mail
- Position im Unternehmen

Adressdaten Endkonsumenten
- Anrede, Titel
- Name, Anschrift, Telefon
- E-Mail-Adresse
- Betreuende Geschäftsstelle
- ..........................


Die Profildaten

Zu den vorgenannten Grunddaten kommen in dem jeweiligen Datensatz die Profildaten, die die Kunden näher beschreiben. Sie sind die Hauptansatzpunkte für das Selektieren und Segmentieren, Clustern oder auch Modeling, kurz: für das Eingrenzen auf die erfolgversprechendsten Potenziale. (Abb. 2, siehe Buch)

Profildaten Business-to-Business
- Gründungsdatum des Unternehmens
- Unternehmensgröße (Umsatz, Mitarbeiter)
- Zweigniederlassungen
- Besitzverhältnisse, Beteiligungen  Hobbies, Interessen,
- Finanzdaten, Bonität
- Branche, Produkte
- Struktur der Buying Center

Profildaten Endkonsumenten
- Alter, Geburtsdatum
- Familienstand, Haushaltsgröße
- Ausbildung, Beruf, Einkommen
- Hobbies, Interessen, Einstellungen
- Life-Style und Regio-Typ
- Zahlungsverhalten, Bonität


Die Aktionsdaten

Eine weitere wichtige Ebene sind die Aktionsdaten. Sie sind auf Grund der verschiedenen durchgeführten Maßnahmen generiert, das heißt sie zeigen Art, Umfang und Zeitpunkt der jeweiligen Aktion, die durchgeführt wurde, um den Umworbenen zu einer Reaktion zu veranlassen. Es ist sinnvoll, sich nur auf die Daten zu beschränken, die uns helfen, relevante Ergebnisse bei den Analysen zu erreichen.

Es ist hier genauso ratsam – wie bei allen Daten-Items – zunächst vielleicht ein paar Datenfelder mehr vorzusehen, sie im Laufe der Zeit aber immer mehr nach Relevanz zu verdichten. Solche Aktionsdaten in einer Business-to-Business- oder Endkonsumenten-Datei können sein: (Abb. 3, siehe Buch)

Die Aktionsdaten
- Art und Zeitpunkt des Erstkontaktes.
- Intensität der Kontakte (Kennziffer).
- Umfang und Wert der Aktion.
- Häufigkeit und Zeitpunkte der Kontakte.
- Inhalt der Aktionen.
- Zuständige Kundenbetreuer (Intern CC/Extern AD)


Die Reaktionsdaten

Inzwischen haben wir also in unserer Datenbank eine ganze Menge Felder eingerichtet. Im Laufe der Zeit werden diese sich füllen und uns große Dienste bei der Kunden- und Potenzialdefinition sowie der Differenzierung leisten. Aber wir fügen noch eine vierte Dimension hinzu: die Reaktionsdaten. Sie geben uns Aufschluss darüber, welche Aktion bei welchem Kunden was und mit welcher (bei Verkauf: monetären) Wirkung ausgelöst hat. Durch den Vergleich von Aktions- und Reaktionsdaten haben wir ganz wichtige Aussagen über den Erfolg der Aktion. Dieser Teil der Datenbank für Business-to-Business und Endkonsumenten sollte die Felder in Abb. 4 enthalten:

Die Reaktionsdaten
- Zeitpunkte und Arten der Reaktion.
- Deckungsbeitrag des Kunden.
- Umsatzhöhe und Umsatzstruktur.
- Dauer der Kundenbeziehung.
- Kundenklassifizierung (ABC, RFMC,Scoring nach Umsatz und Loyalty).
- Beschwerden und Retouren.

Sind auch diese Felder gefüllt, haben wir eine ideale Voraussetzung für erfolgreiches Database-Marketing/CRM. Wir sind also mit der Zeit immer besser in der Lage, unsere Kunden und Prospects mit den richtigen Inhalten zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal mit dem richtigen Preis anzusprechen.


Den ersten Datentopf füllen

Aber noch stehen wir ja am Anfang und müssen erst mal den „ersten Datentopf“ mit den Adressdaten füllen. Und da ist zu unterscheiden, ob das Unternehmen neu auf dem Markt ist, also bei Null anfängt oder es sich um ein Unternehmen handelt, das schon länger am Markt ist. Denn so ein Unternehmen hat ja in den verschiedenen Unternehmensbereichen wie Buchhaltung, Kundendienst, Beschwerdestelle, Außendienst oder noch andere Stellen, die über Kunden- und Interessentendaten verfügen.


Außendienst und Vertrieb einbinden

Gerade der Außendienst beziehungsweise der Vertrieb sollte auch zu einem Brainstorming bei dem Aufstellen der Adressdatei hinzugezogen werden. Auf der einen Seite ist seine Erfahrung und Markteinschätzung für die Datenentwicklung zur Profilerstellung sehr wichtig. Auf der anderen Seite lernt er so von Anfang an Database-Marketing als wichtiges Tool zur Unterstützung seiner Arbeit kennen und schätzen. Manches Database-Projekt ist einfach daran gescheitert, dass Vertriebsmitarbeiter den Eindruck gewannen, ihre Arbeit soll jetzt von E-Mails, Mailings und Callcentern übernommen werden.


Das erste Profiling

Sind nun also alle vorhandenen Kunden- und Potenzialadressen erfasst, kann ein erstes Profiling erfolgen. Am besten nimmt man dazu statistische Daten der Branche, der Region oder des Landes – also des Marktes –, in dem man aktiv ist, zum Vergleich, indem man sie indexiert. Die Marktdaten erhalten für alle Parameter den Wert hundert und nun werden unsere Daten damit abgeglichen. Das Ergebnis dieses Abgleichs zeigt uns die Abweichungen vom Durchschnitt des Marktes – wo wir stärker und wo wir schwächer sind.

Hieraus können wir die Strategie entwickeln, welche Zielgruppen wir ansprechen wollen: zum Beispiel älter oder jünger, mehr oder weniger wohlhabend, lokal, regional oder national, TV-affin oder nicht TV-affin, normale oder überdurchschnittliche Bildung. Wir können die Zielgruppen so genau eingrenzen, dass es durchaus zu unterschiedlichen kreativen Ansprachen in unseren Mailings, Calls oder in der E-Communication kommen kann. Und per Response wissen wir wiederum sehr schnell, was wie bei welcher Zielgruppe gewirkt hat.


Datensätze extern anreichern

Was aber, wenn wir zwar Anschriften aber darüber hinaus kaum oder gar keine Daten haben? Mit den Anschriften haben wir schon eine ganze Menge. Denn mit Hilfe von Spezialisten oder den entsprechenden Programmen lässt sich die Kundenverteilung geografisch sichtbar machen und analysieren. Wir erkennen, wie und wo unsere Kunden verteilt sind, die Gebietsstrukturen und gegebenenfalls Streuverluste unseres Medieneinsatzes. Mit Hilfe dieser Analyse-Programme können wir auch unsere Anschriften mit Haushaltsmerkmalen anreichern. Wir erfahren plötzlich viel mehr über jede einzelne Adresse. Wir können relevante Merkmale für Indizierung und Abgleich festlegen und daraufhin Gebiete/Adress-Typen für diese Neukundengewinnung ermitteln.

Axciom spricht von Regiotypologien, Geo-Clustern, Altersgruppen-Dominanz-Analysen (Lebensphasen) und Bebauungstyp-Dominanz-Analysen. Mit all diesen Merkmalen oder Teilen davon können wir also unsere Adressen anreichern, auswerten und neu modellieren. Allein neunzehn Geo-Cluster mit jeweils zwölf verschiedenen Parametern von Bildung, Beruf über Familienstand, Mediennutzung bis zum Freizeitverhalten liefern uns schon sehr viele Informationen.


Hohe Trefferquote, aber nicht 1:1

Nun darf man sich das aber nicht so vorstellen, dass dieses Modellieren uns am Ende hundert Prozent 1:1-Adressen nach unserer Vorgabe liefert. Da sei der Datenschutz vor. Dieses Profiling der Adressen fasst die Angaben vieler unterschiedlicher Institutionen vom Kfz-Bundesamt über die Post bis zum Versandhandel zusammen und da die Daten nicht bis auf den einzelnen Haushalt heruntergebrochen werden dürfen, bekommen wir von den Adressdienstleistern Datenpakete. Diese Datenpakete sind in ihrer Zusammensetzung so strukturiert, dass sie deutlich überdurchschnittlich die gewünschten Adressen enthalten. Das muss an dieser Stelle gesagt werden, damit die Erwartungen nicht zu hoch gehen und nachher enttäuscht werden. Für den Anfang sind diese Ergebnisse aber schon ganz gut.


So funktioniert es: Neuwagen-Premiere mit Profil

Ein praktisches Beispiel: Ein Autohändler plante eine Premieren-Aktion für die Einführung eines neuen Modells für das Frühjahr. Bereits im davor liegenden Herbst begann er damit, die Interessenten-Daten für dieses Modell zu sammeln. Als er über seine Verkäufer, seine Telefonzentrale, die Werkstatt und das Internet einige hundert Adressen zusammen hatte, konnte er ein ziemlich klares Profil erkennen. Die nebenstehende Scorekarte (Abb. 5) macht das deutlich.

Beispiel einer Scorekarte „Automobil“
- Familien und junge Familien (134)
- mit erhöhtem sozialen Status (122)
- mit hoher beruflicher Qualifikation (130)
- mit mittlerem bis leicht gehobenem Einkommen (128)
- mit leicht überdurchschnittlicher Kaufkraft (124)
- Ein/Zweifamilienhäuser am Stadtrand/Speckgürtel (128)
- Hoher Anteil im Milieu der Postmateriellen (178)
- Höherer Anteil des Milieus Moderne Performer (133)
- Überdurchschnittliches Interesse an Kunst und Kultur
- Wenig TV-Konsum
- Hohe Nutzung Internet

Als diese Analyse vorlag, mietete der Händler sich in seinem Umfeld nur Adressen, auf die diese Kriterien zutrafen. Der Besuchs-/Response-Erfolg gab seiner Vorgehensweise recht. Der Besuch seiner Premierenfeier war mehr als doppelt so hoch als bei vergangenen Aktionen, obwohl er bei den üblichen Werbemitteln den Einsatz nicht verändert hatte.


Gute Daten sind Schlüssel zum Erfolg

Wir sollten uns also viel Mühe geben, um unsere Zielgruppe so genau wie möglich zu beschreiben. Dann sind die Daten, die wir auf Grund dieser Beschreibung erhalten, für unseren Erfolg viel wertvoller. Und Sie werden es erleben, mit jedem neuen Datenfeld, das Sie bei einem Kunden füllen können, wächst die Kenntnis über ihn. Sie können noch individueller mit ihm kommunizieren, über seinen präferierten Kanal und die von ihm bevorzugten Themen. Sie können ihm genau das anbieten, was ihn am meisten interessiert. Kundenkenntnis führt zu Kundenentwicklung führt zu Kundentreue.

Endkonsumenten

eigene Generierung
- Garantienutzer
- Servicenutzer
- Beschwerdebriefe
- Außendienst
- Kundendienst
- MGM, Freundschaftswerbung
- Werbung in klassischen Medien (zum Beispiel Couponanzeigen/-beilage, TV-Spot mit Tel.-Nr.)
- Mailings
- E-Mailings
- Preisausschreiben
- Promotionsaktionen

Fremdbezug
- Adressverlage
- Listbroker
- Telefon/Adressbücher
- Öffentl. Institutionen/Ämter
- Geo-Datenbank Segmentation

Business-to-Business

eigene Generierung
- Lieferantenkarteien
- Besucherlisten
- Tagungs-/Seminarteilnehmerlisten
- Verbandsmitglieder
- Messestandbesucher
- Außendienst
- Kundendienst
- MGM, Freundschaftswerbung
- Werbung mit RE in Fachmedien
- Mailings
- E-Mailings
- Buchhaltung
- Newsletter

Fremdbezug
- Adressverlage
- Listbroker
- Telefon/Adressbücher
- Öffentl. Institutionen/Ämter
- Handelsregister
- Grundbuch
- Vereinsregister
- Bezugsquellennachweise
- Redaktionsbeiträge
- Datenbanken
- Fachverlage


Literatur

Dallmer H.: Handbuch Direct Marketing. – Gabler Verlag, 2002.
Holland H.: Dialogmarketing: Planung, Medien und Zielgruppen. – Hanser Wirtschaft, 2002.
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