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Welche Datenstrategie Marketing und Sales Automation braucht

Der erfolgreiche Verkaufsabschluss ist das Ergebnis einer strategischen Datenkultur im Unternehmen. Diese vier Stufen führen zum Erfolg.
Martin Brahm | 09.09.2022
Welche Datenstrategie Marketing und Sales Automation braucht © freepik / mindandi
 

 „Lieber Martin, Happy Birthday zum 45igsten. Zu Deinem Jubeltag haben wir etwas ganz Besonderes für Dich: Heute bekommst Du bunte Kaschmir-Socken mit 25 Prozent Rabatt und ein Paar umsonst dazu! Liebe Grüße Dein Sockenshop“ – So könnte das Ergebnis gelungener Marketing und Sales-Automation (MSA) aussehen. Denn tatsächlich sagt Martin von sich: „Ich liebe extravagante Socken“ und schaut auch im Onlineshop, kann sich zwischen zwei Paaren nicht entscheiden und verliert dann die Bestellung – er wird zum Kuchen gerufen – doch aus den Augen. Nach zwei Tagen erhält Martin via Instagram-Retarget eine erneute Botschaft: „Wow, dieses Outfit – blauer Anzug mit roten Karosocken – erinnert mich an Rothko“, denkt er und löst seinen Geburtstagsgutschein vom Sockenshop endlich ein. Jetzt trägt Martin rote Karosocken. Das Beispiel zeigt: Automation hat ihn geschickt während des gesamten Einkaufsprozesses begleitet. Und wohl auch deshalb hat MSA endlich erhebliches Momentum gewonnen. 

Automation im Marketing gewinnt Momentum

Was aber ist MSA? Laut der Definition des Instituts für Sales und Marketing Automation (IFSMA) versteht man darunter „die ITgestützte Durchführung wiederkehrender Marketing- beziehungsweise Vertriebsaufgaben mit dem Ziel, die Effizienz von Prozessen und die Effektivität von Entscheidungen in diesen Bereichen zu steigern. Bei der Suche nach zu automatisierenden Prozessen ist der Blick stets auf das gesamte Unternehmen zu richten.“ [2]

Offenbar hat Corona auch hier einen enormen Digitalisierungsschub bewirkt: „Trotz der belegbaren Vorteile der Marketing und Sales Automation haben sich die Unternehmen im deutschsprachige Raum erst spät mit der Digitalisierung von Marketing und Vertrieb beschäftigt. [Allerdings wurde] die Notwendigkeit der digitalen Transformation in Marketing und Vertrieb […] auch den größten Skeptikern in der

mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft durch den Corona bedingten Shutdown im Frühjahr 2020 bewusst“, resümiert Prof. Dr. Uwe Hannig in der gerade erschienenen erweiterten Neuauflage seines Standardwerkes [3].

Wertschöpfung und -steigerung auf Basis von Daten

Doch ist die zuvor genannte Definition, bei der ein Unternehmen als Summe seiner Prozesse betrachtet und in Funktionssilos aufgeteilt werden, überhaupt zukunftsfähig? Müssen Marketing, Sales, Digitalisierung und Strategie nicht zusammen gedacht werden? Ein ganzheitlicher Blick auf das digitale Unternehmen zeigt: MSA ist ein zentraler Baustein zur Wertschöpfung und -steigerung auf Basis von Daten.

Schaut man nämlich auf den Socken-Case, dann wird klar: Der erfolgreiche Verkaufsabschluss ist das Endergebnis einer strategischen Datenkultur im Unternehmen. Wie so eine strategische Datenkultur aussieht und in welchen Stufen Unternehmen sie implementieren sollen, begleitet mich schon lange – Kollegen und Kunden sprechen deshalb auch von der „Brahmschen Treppe“. Wie vier aufeinander aufbauende Stufen zu zufriedenen Kunden und mehr Umsatz führen, sehen wir uns nun an – zunächst einleitend am Sockenshop-Case, anschließend allgemein und praxisnah.

Stufe 1: Datenqualität und -vernetzung

Was wäre, wenn Martin gar nicht heute, sondern schon letzte Woche Geburtstag gehabt hätte? Und was, wenn die Mail ihn kurzerhand zehn Jahre älter macht? Würde er sich über die Glückwünsche und das Präsent noch freuen? Vielleicht, aber die Möglichkeit des Missfallens verweist auf ein ganz zentrales Problem für MSA: schlechte Datenqualität.

Eine valide Datenbasis ist einer der größten Erfolgsfaktoren. Denn wenn Datenbanken –CRM, ERP, Consent-Daten, PIM, Faktura-Daten und vieles mehr – unverbunden sind und sich nicht kross-validieren lassen, wenn Datensätze falsch, unvollständig oder veraltet sind, kann MSA nicht gelingen. So findet das IFSMA bei einer Befragung von rund 700 Marketingverantwortlichen: 80 Prozent der befragten Unternehmen beurteilen die Bedeutung von Datenqualität zwar als „hoch“ oder „sehr hoch“, allerdings geben 37 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland an, dass höchstens 50 Prozent der gespeicherten Datensätze ohne Fehler sind [4]. Und auch in einer Umfrage des eco Verbandes zu

Trends 2020 rangiert Datenqualität mit 64 Prozent der Nennungen auf Rang drei der Agenda. Klar, wenn Sockenshop das falsche Geburtsdatum speichert, dann liefert die MSA Aktionen zum falschen Zeitpunkt.

Silos statt Datenvernetzung ...

Neben Qualität ist die Vernetzung von Daten der zweite wichtige Schritt hin zur strategischen Datenkultur. Die Problematik: Einzelne Abteilungen oder Akteure verfolgen unterschiedliche Ziele mit den Daten, in der Folge entstehen Datensilos. Die IT kümmert sich um technische Fragen des CRMs und richtet pro Geschäftseinheit eine eigene CRM-Instanz ein, für die Qualität der CRM-Daten sorgt der Vertrieb. Das Marketing verantwortet das E-Mail-Marketing und steuert Aussendungen sowie Resonanz im entsprechenden Tool. Die SocialMedia-Spezialisten rollen Kampagnen in Instagram aus und halten dort Follower und Likes im Fokus. Die Performance Marketers schließlich kämpfen mit Google Analytics und schaffen noch ein zusätzliches Datenund Informationssilo. Hinzu kommen Daten aus Callcenter, Service oder auch ganz individuelle Datenspeicher wie der Filofax.

… und ihre Konsequenzen

Die Konsequenzen: Informationen zu einer Person liegen verstreut in unterschiedlichen Systemen und bleiben immer unvollständig. Wenn man an Martin zurückdenkt: Im E-Mail-Marketing-System wird das Öffnen der Glückwunsch-Mail und der Click in den Shop als Erfolg gewertet. Der Warenkorbabbruch bleibt verborgen, denn er ist nur im Webshop datentechnisch erfasst. Wie erreicht man Martin jetzt wieder? Erst die Vernetzung von Daten und das Mapping unterschiedlicher Datenquellen führt zu einem vollständigen Blick auf den Kunden – und zwar aus dessen Sicht. Denn Kunden interessieren sich nicht für die unterschiedlichen Systeme und Datenquellen der Anbieter, sondern vergessen einfach ihre Bestellung.

Inseln verbinden: Pragmatische Lösung SaaS

Es gibt mehrere Optionen, Datensilos aufzubrechen und Informationsbrüche auf dem Weg zur strategischen Datenkultur zu überbrücken. Wer nur wenige Daten und Kanäle bedient, kann mehr oder weniger erfolgreich die Bordmittel der eingesetzten Systeme nutzen. Bei umfassenderen Datenquellen braucht es andere Wege, um Daten als Asset nutzen zu können. Eigens aufgesetzte IT-Projekte helfen, dauern aber teilweise sehr lange und sind oft mit hohem Ressourceneinsatz verbunden. Das eigentliche Problem aber: Solche Projekte haben nur selten einen Marketing- und Vertriebsfokus, weshalb mancher Marketer am Ende immer noch am Anfang steht. Einfacher und pragmatischer sind spezialisierte SaaS-Lösungen, die per API relevante Daten zwischen verbundenen Systemen bi-direktional austauschen können. Das spart Zeit und bewährte Systeme können einfach weiter genutzt werden. Eine kurze Anmerkung zum Datenschutz: Wer Daten im Auftrag verarbeiten lässt, sollte peinlichst die rechtlichen Regelungen einhalten. Konkret heißt das etwa, keine Server außerhalb der EU nutzen.

Der Sockenshop jedenfalls hat die Unternehmensdaten sichtlich im Griff. Die Geburtstagsgratulation kommt zur richtigen Zeit, Alter und Geschlecht stimmen. Und der Sockenshop kann darüber hinaus kanalübergreifend Daten vernetzen und reagieren. Die Basis stimmt. Doch wer Daten als strategisches Asset versteht, braucht mehr: Daten sind nur dann nützlich, wenn sie die richtige Informationstiefe bieten (Abb. 1 und 2).

 

Abb. 1: Fragen zur Datenqualität

 

Stufe 2: Datenbasis und Informationstiefe

Martin liebt extravagante und hochwertige Socken. Deshalb ist der Rabatt auf bunte Kaschmirsocken der zentrale Erfolgsfaktor in der Kundenansprache: Martin fühlt sich verstanden und verbunden. Woher wissen die Marketingfüchse beim Sockenshop das?

Was muss ich wissen, um Werte zu schöpfen?

Der Case zeigt die Bedeutung von First Data genau wie deren Grenzen. Denn oft verfügen Unternehmen für eine erstklassige Marktkommunikation nicht über ausreichend Kundeninformationen. Denn Stammdaten wie die Wohnadresse sind wichtig, aber die Adresse für sich genommen besagt noch nicht viel. Wenn man sie allerdings mit anderen Daten – beispielsweise mit soziodemografischen Daten – ergänzt, steigt die Informationstiefe deutlich. Kunden in exklusiven Wohnlagen haben eine größere Kaufwahrscheinlichkeit für hochwertige und empfindliche Kaschmirsocken, Kunden in Neubaugebieten für Familien reagieren dagegen positiv auf pflegeleichte Produkte. Beim Weg zur strategischen Datenkultur steht daher auf Stufe zwei die zentrale Frage: Mit welchen zusätzlichen Informationen schöpft ein Unternehmen Werte und generiert Wachstum? Die Antwort hängt mit der Unternehmensstrategie insgesamt zusammen.

 

Abb. 2: Die wichtigsten Datenkategorien

 

Informationsbedarf? Eine Frage der Unternehmensstrategie

Wer als B2B-Großhändler Marktanteile, Umsatz und Kundenstamm erhöhen will, benötigt für sein Lead-Management etwa Daten über potenzielle Geschäftskunden inklusive Buying Center. Wer als Markenhersteller seine Produkte ausschließlich über den Handel vertreibt, will Branding und Nachfrage generieren. Der Sockenshop will hingegen Endkunden in einem Nischenmarkt als „Fans gewinnen“ und direkt an sich binden. Jede Unternehmensstrategie hat also ein jeweils anderes Informationsbedürfnis, das sich auf den zusätzlichen Datenbedarf auswirkt. Um die Aussagekraft der eigenen Daten zu steigern und die notwendige Informationstiefe für eine erfolgreiche MSA zu erreichen, stehen mehrere Wege und Datentypen zur Verfügung.

Zero Data und Dritt-Daten 

Im eigenen Kundenstamm lassen sich über Befragungen mit Incentives weitere Daten erheben, etwa durch eine Zufriedenheitsumfrage. Hier lassen sich auch Zero Data (Forrester) generieren: Daten, die Kunden explizit zur Verfügung stellen, um mit Anbietern und Marken in Interaktion zu treten [5]. Die einfachste Form ist die Bitte des Kunden, aktiv über Produkt-Updates informiert zu werden. Mit solchen Daten können Unternehmen Verluste durch Änderungen im Datenschutz (wie den sich abzeichnenden Wegfall von Cookies) zumindest teilweise ausgleichen. Doch das Potenzial solcher Datenerhebungen ist begrenzt, und hier schlägt die Stunde der Dritt-Daten. Im Geschäft mit Endkunden kommen die klassischen analogen Dritt-Daten aus den Bereichen Demografie, sozioökonomischer Status und psychologische Einstellungen. Im B2B-Bereich umfassen sie Umsatzklassen, Branche und die Anzahl der Mitarbeiter.

Noline und New Data

Natürlich ist die analoge Datenwelt längst von der Digitalisierung eingeholt; Offline- und Online- verschmelzen zu Noline-Daten. Neben klassischen Adressdaten haben heute vor allem New Data, die in Zusammenhang mit neuen technologischen Möglichkeiten entstanden sind, Bedeutung. Vervielfältigung und Globalisierung der Kommunikation, die Explosion der Kanäle, smarte Endgeräte mit Sensorik – täglich entstehen neue Datenquellen mit Daten, die sich nutzen lassen. Vorreiter im Marketing nutzen für ihre MSA etwa Bewegungsdaten auf Basis von Mobile IDs. So lässt sich erkennen, ob die Zielgruppe eher mittags ins Sportstudio oder abends auf den Sportplatz geht. Oder ob eine Buyer Persona regelmäßig Galerien und Museen besucht anstatt Zoo und Abenteuerspielplatz und eher exklusive Boutiquen aufsucht als die Filialen großer Ketten. Aber auch Daten, die sich nicht direkt auf die Zielgruppe beziehen, können eine zentrale Rolle spielen: Wetterdaten zeigen die Abhängigkeiten bestimmter Fashion-Vorlieben vom Wetter, Produktdaten helfen Affinitäten im Portfolio zu ermitteln (Hemd/Krawatte, Kacheln/Fliesenkleber, Premium-Reisen/SUVs, Sportstudio/Potenzshakes und so weiter).

Daten lügen nicht

Ach ja, die Marketingfüchse vom Sockenshop. Woher die wussten, dass Martin auf bunte Socken steht? Nun, vermutlich haben sie ihm einfach nur zugehört. Ein Kunde in teurer Wohnlage, der gerne in avantgardistische Museen, aber auch in Galerien geht; der dem Wettbewerber schon mehrfach einen Besuch abgestattet hat und auf Instagram Fashion Influencern folgt? Wenn der nicht auf extravagante Socken steht, dann lügen die Daten (Abb. 3).

Stufe 3: Datenanalyse – Aus Daten werden Informationen

Aber Daten lügen nicht. Doch man kann durchaus die falschen Schlüsse aus ihnen ziehen, wenn man sie nicht zu lesen und zu deuten versteht. Dies ist die dritte Stufe auf dem Weg zur strategischen Datenkultur: Informationen aus Daten, in Fachkreisen auch Insights genannt.

Abb. 3: Diese Analysemethoden sollten Profis kennen

 

Segmentieren, …

Im genannten Case waren die Schlüsse zielführend, denn es steht nicht die reale Person Martin im Zentrum, sondern die Identifizierung vielversprechender Zielgruppen, die Bildung von Buying Personas sowie die effektive und effiziente Ansprache. Gängigster Startpunkt für die Generierung von Informationen ist die Segmentierung, denn so lassen sich Kundenstrukturen erkennen. Hierbei bewerten Marketing und Vertrieb die wichtigsten Kundeneigenschaften und bündeln diese in Typen. Grundsätzlich gibt es zwei Vorgehensweisen: Beim WasserfallVerfahren gliedert der Datenanalyst alle Kunden immer weiter nach Eigenschaften, sodass am Ende jeder Kunde nur einer Gruppe angehört – also etwa der 44-jährige männliche Neukunde, der genau vor drei Monaten und sechs Tagen einmal gelbgestreifte Seidensocken gekauft, aber keinen weiteren Umsatz gemacht hat. Das ist sehr kleinteilig und am Ende auch wenig aussagekräftig.

Clustern und Personas

Zielführender und moderner ist die Cluster-Analyse. Hierbei identifiziert der Analyst mithilfe von Data-Mining-Methoden, Künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) Teilgruppen – sogenannte Cluster – auf Basis der Daten aus den Stufen eins und zwei. Ziel des Clustering ist es, im Hinblick auf Ansprache und Kaufentscheidungen aussagekräftige Kundensegmente zu erkennen. Spielt die genaue Sockenfarbe eine Rolle, oder identifiziert die Analyse einfachere Kategorien wie klassisch und extravagant? Cluster lassen sich in einem nächsten Schritt durch DrittDaten zu Buyer Personas verdichten. Diese beschreiben ähnlich wie eine Kurzbiografie detailliert relevante Kundenmerkmale. Beispielsweise Kunde M, ein zahlungskräftiger Mann Mitte 40 mit Vorliebe für Kunst und Kultur sowie extravagante Kleidung: Mithilfe von Dritt-Daten lässt sich zusätzlich erkennen, dass M typischerweise digital-affin ist und bestimmten Fashion-Influencern auf Instagram folgt. Je genauer die Beschreibung, desto treffsicherer sind anschließende Aktionen: Beispielsweise lassen sich in externen Datenbeständen statistische Zwillinge zu den fiktiven Personas ermitteln, die sich als Neukunden mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Sockenshop-Angebote interessieren.

Kaufwahrscheinlichkeit ermitteln 

Im Idealfall lässt sich so für Bestands- genauso wie für mögliche Neukunden die individuelle Propensity-to-Buy ermitteln. Gemeint ist damit die Kaufwahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Produkt, die sich in Modellen als Funktion der bekannten Kundeneigenschaften darstellen

lässt. Zurück zum Sockenshop-Case: Innerhalb des Kunden-Clusters „männlich, mittleres Alter, zahlungskräftig, kunstaffin, extravagant“ identifiziert der Algorithmus zwei Teilgruppen. Die Kunden der ersten Teilgruppe haben rotkarierte, gelbgestreifte und grüngepunktete Socken gekauft. Die Kunden der zweiten Teilgruppe haben nur gelbgestreifte und grüngepunktete Socken gekauft. Sollen ihnen nun rotkarierte oder unifarben schwarze Socken angeboten werden? Die Analyse des Kaufverhaltens der Vergleichsgruppe gibt also Aufschluss, welches Produkt aus dem Sortiment (Neu-)Kunden am besten erreicht und zu Cross- und Upselling aktiviert.

Dynamische Personas dank ML 

Datenanalysen sind keine einmalige Aktion: Beim Einsatz von KI und ML werden alle Daten zur Interpretation herangezogen. Schließlich ändern sich die relevanten Daten in Echtzeit. Menschen ziehen um, ändern ihren Geschmack, reagieren auf Neuigkeiten. Ob Umzüge, Likes, bestimmte Medienvorlieben oder neue Influencer – mit KI und ML gelingt es, Personas zu dynamisieren und dem realen Wandel der Zielgruppen anzupassen. Zudem ermöglicht nur die stetige Neu-Interpretation der Daten dynamische Customer Journey Analytics, also die Auswertung aller Touchpoints zwischen Kunden und Unternehmen. Die Zahl der Kontaktpunkte und Interaktionen ist mit der Digitalisierung enorm gestiegen. KI erkennt, an welchem Punkt der Interessent sich befindet, wann er abgesprungen ist, welche Trigger auf welchem Kanal als Nächstes benötigt werden.

Stufe 4: Wie aus Insights Umsatz wird

Auf der vierten Stufe wird dann aus den gewonnenen Informationen Umsatz durch Verkauf generiert. Kommen wir nochmal zu Martin zurück – als perfekte Illustration einer erfolgreich implementierten strategischen Datenkultur.

Achtung, Aktion: „Wow, dieses Outfit …“ 

Am Anfang des Sockenshop-Case steht eine Reaktivierungskampagne. Wie lassen sich wenig preissensitive, aber inaktive Bestandskunden zu erneuten Transaktionen bewegen? Neben anderen Personas segmentiert und verdichtet der Sockenshop die Persona M. Der Trigger „GeburtstagsPräsent“ bietet einen ympathischen Anlass für E-Mailing als Touchpoint. Auch wissen die Marketingfüchse vom Sockenshop über eingekaufte Mobile IDs, dass die Persona M gerne in Museen mit Fokus auf moderner Kunst geht.

Mit welchem Produktangebot kann man Martin erreichen? Eine Analyse der Propensity-to-Buy über den kompletten Kundenstamm zeigt, dass er tendenziell farbenfroh eingestellt ist. Also, Schritt eins der Reaktivierungskampagne: Alle Geburtstags-Personas M erhalten per E-Mail einen Rabattgutschein für extravagante Socken. Selbst wenn sie nicht reagieren, erinnern sie sich eher an ungewöhnliche als an banale Angebote. Schritt zwei wird sofort mitdefiniert: Warenkorbabbrecher erhalten spätestens zwei Tage nach dem Abbruch einen Reminder. Standardmäßig ist eine E-Mail vorgesehen, aber man ist sich beim Sockenshop bewusst: Aktive Social-Media-Nutzer konvertieren besser über ein entsprechendes Retargeting. Also Schritt zwei, Variante b: Die kaufkraftstarken Warenkorbabbrecher sind kurz vor Kauf, deshalb lohnt sich die vergleichsweise teure Ansprache über Facebook- und InstagramAds. Via Customer Journey Analytics erkennt der Sockenshop die Geburtstagskinder, die sich über das Geburtstagspräsent freuen, aber den Kauf nicht abgeschlossen haben. Die Instagram-Nutzer unter ihnen erhalten jetzt eine Ad mit Bildsprache im Stil von Mark Rothko, darunter ist Martin. „Wow, dieses Outfit!“ denkt er, erinnert sich und löst seinen Geburtstagsgutschein vom Sockenshop endlich ein.

So geht MSA

Stufe vier ist also erreicht, wenn Unternehmen so viele Informationen über Markt, Kunden und Wettbewerb vorliegen haben, dass sie zielsicher Marketing- und Sales-Prozesse definieren und automatisch ablaufen lassen können. Doch die strategische Datenkultur ist nicht nur eine Voraussetzung von MSA, sondern hat Konsequenzen auf allen Unternehmensebenen.

Strategische Datenkultur und MSA – Teil der Wertschöpfung

Wir hatten eingangs MSA und die zugrunde liegende strategische Datenkultur als Teil der Wertschöpfung und -steigerung beschrieben. Auf diesen Aspekt wollen wir abschließend noch einmal eingehen.

Wer die Wertschöpfung durch MSA dokumentieren und dabei Kosten und Umsatz als Entscheidungsdimension nutzen will, muss selbstverständlich auch Finanzdaten in die MSA integrieren. Im Sockenshop-Case stellt sich die Frage nach dem Return on Marketing Spends einer Ad-Kampagne - für welche Personas, an welcher Stelle der Customer Journey und mit 
welchen Inhalten? 

Doch auch darüber hinaus ist das datenbasierte Verständnis für Kunden und deren Bedürfnisse zentral für den Unternehmenserfolg. Die kontinuierliche Auswertung von Kundeninteraktionen zeigt auf, in welchen Unternehmens- und Produktbereichen der Return on Invest das höchste Potenzial hat. Ist die Profitabilität bewährter Produktlinien (wie schwarze Business-Socken) durch den Trend zum Homeoffice bedroht? Lohnen sich strategische Partnerschaften mit Anbietern tierfreundlicher oder veganer Wollprodukte?

MSA schafft die Voraussetzungen für stetige Erfolgsmessung in Klicks, Verkäufen, Umsatz sowie Gewinn und ist somit Teil der strategischen Datenkultur eines Unternehmens. Um diese Datenkultur erfolgreich umzusetzen, ist Verständnis für ihren Wertbeitrag auf allen Unternehmensebenen notwendig: 

1. Verständnis für Investitionen in Experten oder Expertenberatung, denn ein wichtiges Hemmnis auf dem Weg zur Automatisierung in Marketing und Vertrieb ist das Fehlen geeigneter Fachkräfte. Nicht jeder im Unternehmen muss Data Scientist ein, aber Data Literacy ist unerlässlich.

2. Verständnis für eine Infrastruktur, mit der sich eine strategische Datenkultur umsetzen lässt. Das müssen keine riesigen IT-Projekte sein. SaaS-Lösungen, die sich ohne Veränderung der Quellsysteme als neuer Datenaustausch- und -Analyse-Layer per API zwischen Informationsinseln legen, sind perfekt geeignet und verfügbar.

3. Verständnis für den kulturellen Wandel, damit die strategische Datenkultur gelebt wird, alle Zahnräder ineinandergreifen und Abteilungen zusammenwachsen [1].

 

Literatur

[1] Brahm, M.: Der neue Vertrieb – digital, automatisiert und total verliebt ins Marketing, in: marketing-BÖRSE: https://plus.marketing-boerse.de/fachartikel/details/2111-der-neue-vertrieb--digital-automatisiert-und-total-verliebtmarketing/175753 – Zugriff 20.09.2021 

[2] Hannig, U.: Marketing und Sales Automation. Grundlagen – Umsetzung – Anwendungen. Springer Gabler, 2021.

[3] Hannig, U.: Mehr als geistige Grundhaltung. acquisa 2016, 11–12 (2016): 26–27.

[4] Hannig, U., Heinzelbecker, K., Foell, T.: Digital Safety First – Marketing Automation in DACH. White Paper, Institut für Sales und Marketing Automation, 2019.

[5] Liu, St.: Straight From The Source: Collecting Zero-Party Data From Customers, https://go.forrester.com/blogs/straight-from-the-source-collecting-zeroparty-data-from-customers/ – Zugriff 20.09.2021