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Deutsche Startups mit Finanzierungsrekord

Gesamtwert der Investitionen in deutsche Startups im ersten Halbjahr auf 7,6 Milliarden Euro mehr als verdreifacht.
Ernst & Young GmbH | 20.07.2021
Deutsche Startups mit Finanzierungsrekord © freepik
 

Deutsche Startups erhielten im ersten Halbjahr mehr frisches Kapital als je zuvor: Insgesamt 7,6 Milliarden Euro flossen an deutsche Jungunternehmen – das ist mehr als dreimal so viel wie im Vorjahreszeitraum und mehr als im gesamten Jahr 2020. Auch die Zahl der Finanzierungsrunden stieg sprunghaft: um 62 Prozent auf 588.

Erneut gab es in Berlin besonders rege Aktivitäten, die Bundeshauptstadt konnte ihren Vorsprung gegenüber den anderen Bundesländern sogar weiter ausbauen: Die Zahl der Finanzierungsrunden kletterte in Berlin um 74 Prozent auf 263. Das Investitionsvolumen hat sich sogar von 1,2 auf 4,1 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Ebenfalls mehr als verdreifacht hat sich die Finanzierungssumme in Bayern: von 773 Millionen auf 2,5 Milliarden Euro – bei 120 Finanzierungsrunden (plus 43 Prozent).

Die übrigen Bundesländer folgen mit großem Abstand, konnten aber zumeist ebenfalls deutlich gestiegene Finanzierungsvolumina vorweisen: Startups in Baden-Württemberg erhielten im ersten Halbjahr 307 Millionen Euro (plus 192 Prozent), Jungunternehmen kamen in Nordrhein-Westfalen auf 171 Millionen Euro (plus 187 Prozent), in Sachsen auf 134 Millionen Euro (plus 239 Prozent), in Hessen auf 128 Millionen Euro (plus 1895 Prozent) und in Hamburg auf 110 Millionen Euro (plus 330 Prozent). In diesen Ländern stieg jeweils auch die Zahl der Finanzierungsrunden.

Das sind Ergebnisse des Startup-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Berücksichtigt wurden Unternehmen, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt.

„Im vergangenen Jahr hatte die Pandemie zu einem leichten Dämpfer beim Finanzierungsvolumen geführt“, sagt Thomas Prüver, Partner bei EY. „In diesem Jahr sehen wir ebenfalls einen Corona-Effekt, allerdings in die umgekehrte Richtung: Die Finanzierungsaktivitäten und -summen explodieren geradezu. Im ersten Halbjahr haben so viele Startups frisches Kapital erhalten wie nie zuvor. Vor allem aber fließen inzwischen Summen in einzelne Jungunternehmen, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären.“

So kletterte die Zahl der Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von zwei auf fünfzehn, die Zahl der mittelgroßen Finanzierungsrunden zwischen 50 und 100 Millionen Euro verdoppelte sich von acht auf 16. „Der Finanzierungsboom hat mehrere Gründe“, sagt Prüver. „Zum einen ist sehr viel Liquidität im Markt, die im aktuellen Niedrigzinsumfeld nach attraktiven Anlagemöglichkeiten sucht. Vor allem aber sieht der Markt inzwischen völlig neue Perspektiven für innovative Technologieunternehmen. Die Digitalisierung hat im Pandemiejahr einen riesigen Schritt nach vorn gemacht hat. Der Knoten ist geplatzt, und neue, disruptive Geschäftsmodelle werden jetzt mit ganz anderen Augen gesehen als vor der Pandemie.“

Berlin und Bayern liegen weit vorn

Berlin und Bayern stehen zusammen für 65 Prozent aller Finanzierungsrunden und sogar für 87 Prozent des insgesamt in Deutschland investierten Kapitals. Gerade die ganz großen Deals finden in erster Linie in Berlin und Bayern statt. Von den zwanzig größten Transaktionen im bisherigen Jahresverlauf entfielen zwölf auf Berlin, sechs auf Bayern. Hinzu kam jeweils eine Transaktion in Baden-Württemberg und Sachsen.

„Berlin und Bayern sind eindeutig die international sichtbarsten Startup-Standorte Deutschlands. München hat es in den letzten Jahren geschafft, sich als zweiter wichtiger Standort zu etablieren – dank spezifischer Stärken im Technologie-Bereich. Andere Regionen registrieren zwar ebenfalls Zuwachsraten, können aber gerade bei großen Deals nicht mithalten. Es spricht einiges dafür, dass dieser Trend vorerst anhält – trotz intensiver Bemühungen in vielen Regionen, an der eigenen Attraktivität für Startups und Investoren zu arbeiten“, sagt Prüver.

Die meisten Deals bei Software-Firmen

Die meisten Finanzierungsrunden wurden im ersten Halbjahr 2021 wie schon im Vorjahr im Bereich Software & Analytics gezählt: Ihre Zahl stieg von 112 auf 206. Das Investitionsvolumen hat sich sogar von 501 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Einen noch stärkeren Anstieg des Volumens verzeichnete – dank einiger sehr großer Transaktionen – der FinTech-Sektor: Hier stieg die Finanzierungssumme von 313 Millionen auf 2 Milliarden Euro. Die Zahl der Finanzierungsrunden stieg in diesem Segment von 26 auf 62.

Ebenfalls einen deutlichen Sprung machte der Bereich Mobility, wo die Zahl der Finanzierungsrunden zwar nur von 28 auf 41 stieg, das Investitionsvolumen aber von 434 Millionen auf 1,4 Milliarden Euro hochschnellte.

Eine rückläufige Zahl von Finanzierungsrunden wurde nur in einem Sektor registriert: Der Bereich Media & Entertainment schrumpfte von 17 auf 15 Finanzierungsrunden, verzeichnete beim Investitionsvolumen allerdings einen deutlichen Zuwachs – um 275 Prozent auf 132 Millionen Euro.

„Wir sehen fast in allen großen Startup-Sektoren einen starken Aufwärtstrend – sowohl bei der Zahl der Deals als auch beim Finanzierungsvolumen. Die steigende Zahl an Mega-Transaktionen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor der Großteil der Finanzspritzen auf sehr kleine Deals entfällt“, betont Prüver. Im laufenden Jahr beliefen sich 71 Prozent der Deals, bei denen Angaben zum Finanzierungsvolumen gemacht wurden, auf höchstens fünf Millionen Euro – im Vorjahr hatte der Anteil bei 77 Prozent gelegen. „Die meisten Finanzierungsrunden sind klein – damit kann man zumeist keine großen Sprünge machen. Die Mehrzahl der deutschen Startups muss also weiterhin mit relativ wenig Geld auskommen“, betont Prüver.

Die größte Transaktion in Deutschland war eine Finanzspritze von 830 Millionen Euro für Celonis, den in München ansässigen Anbieter von Process-Mining Software. Das Berliner FinTech Trade Republic erhielt 747 Millionen Euro, während wefox, ebenfalls ein FinTech aus Berlin, 539 Millionen Euro einsammelte.