print logo

Werbung und ihre Selbstkontrolle auch im zweiten Corona-Jahr relevant

Rügen ausschließlich für sexistische Werbung, vielfach nicht-professionell gestaltete Werbung der Grund
Beschwerdebilanz 2021 © Deutscher Werberat
 

1.444 Personen, Institutionen oder Kampagnenorganisationen wandten sich 2021 an den Deutschen Werberat, rund 8 Prozent mehr als 2020. Dies spiegelt die höhere Medien- und damit auch Werbenutzung im zweiten Corona-Jahr wider. Den Bürgern ist es weiterhin wichtig, die Institution Werberat zu kontaktieren, wenn Werbung als unangemessen empfunden wird. Die Selbstregulierungseinrichtung der Werbewirtschaft entschied im Vorjahr über 523 Fälle und damit 5 Prozent mehr als 2020. In den eingeleiteten Verfahren folgten rund 90 Prozent aller Unternehmen dem Votum des Gremiums und stoppten oder änderten ihre Werbung, sobald der Werberat diese beanstandet hatte. Die hohe Durchsetzungsquote des Werberats belegt erneut die branchenübergreifende Akzeptanz der Selbstkontrolleinrichtung in der Wirtschaft. Der Werberat bleibt auch 2021 die gefragte Anlaufstelle für Bürgerbeschwerden zu Werbeinhalten. Das Verfahren des Werberats als Mittler zwischen Werbenden und Umworbenen ist schnell, kostenlos, unkompliziert und im Sinne der Beschwerdeführer durchsetzungsstark, auch wenn die kritisierte Werbung rein rechtlich gesehen nicht zu beanstanden ist.

Viele Menschen wandten sich auch 2021 mit den unterschiedlichsten Anliegen an den Werberat in Berlin: Sie sahen allgemein geltende Moralvorstellungen verletzt, eine unangemessene Bezugnahme auf Unglück oder Leid, Gewalt verherrlicht, Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt, machten Geschlechter-diskriminierung geltend oder kritisierten Werbung als rassistisch. Von den 586 vom Werberat geprüften Motiven oder Spots lagen 63 Fälle wie z.B. politische Wahlwerbung nicht im Zuständigkeitsbereich des Werberats, in diesen Fällen wurde den Beschwerdeführenden der richtige Ansprechpartner genannt. Auffällig: Beschwerden richten sich häufiger als früher gegen die beworbenen Produkte oder Dienstleistungen selbst und nicht gegen ihre Bewerbung, dies weniger von Bürgern, sondern verstärkt von Kampagnenorganisationen oder zivilgesellschaftlichen Gruppierungen vorgebracht.

Von Kritik freigesprochen wurden im Bilanzjahr 385 von 523 Werbemotiven, da kein Verstoß gegen die Verhaltensregeln des Deutschen Werberats vorlag. In 138 Fällen dagegen kontaktierte der Werberat werbende Unternehmen zur geäußerten Bürgerkritik sowie dem geltend gemachten Verstoß gegen den Kodex des Werberats. 124 Werbekampagnen wurden von den betreffenden Unternehmen daraufhin zurückgezogen oder geändert, wie im Vorjahr folgten damit 90 Prozent der kontaktierten Unternehmen seiner Entscheidung. Dies ist zugleich ein deutlicher Beleg für die Effizienz des Systems der Werbeselbstkontrolle.

Lediglich in 14 Fällen waren die Unternehmen nicht einsichtig, so dass der Werberat Öffentliche Rügen aussprechen musste. Diese verhängte der Werberat 2021 ausschließlich zu sexistischer Werbung und an kleine oder mittlere Unternehmen, deren Kommunikation nicht von professioneller Seite begleitet wurde.

Katja Heintschel von Heinegg, Geschäftsführerin des Deutschen Werberats, kommentiert die Bilanz 2021: „Den Bürgern ist es auch im zweiten Corona-Jahr wichtig gewesen, den Werberat zu kontaktieren, wenn Werbung als unangemessen empfunden wurde. Dies zeigen die gestiegenen Beschwerde- und Fallzahlen. Gleichzeitig belegt die hohe Durchsetzungsquote von 90 Prozent seine breite Akzeptanz in der Wirtschaft.“

Der Deutsche Werberat nutzt erfolgreich den auf www.werberat.de abrufbaren Leitfaden zum Werbekodex, um über das Thema verantwortungsvolle Werbung zu informieren und die Verhaltensregeln der Branche anhand von fiktiven Werbemotiven zu erläutern. Der Leitfaden wird vom Deutschen Werberat für Schulungen innerhalb der Branche verwendet, steht aber auch externen Bildungseinrichtungen zur Verfügung, die zum Thema verantwortungsvolle Werbung informieren. Zum 1. Juni 2021 wurde die überarbeitete Fassung der Verhaltensregeln des Werberats über die kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel in Kraft gesetzt. Damit wurde ein noch weitergehender Schutz von Minderjährigen unter 14 Jahren in die Selbstverpflichtung der Branche implementiert.

Details zur Beschwerdestatistik 2021

Inhalte der Werbekritik

Wie bereits in den Vorjahren war ‚Geschlechterdiskriminierende Werbung‘ mit insgesamt 266 Fällen auch 2021 der Hauptbeschwerdegrund und betraf die Hälfte aller Fälle (523). An zweiter Stelle und mit deutlichem Abstand folgten Fälle zu ‚Ethischen und moralischen Mindestanforderungen‘ (52). In diese Rubrik fällt ein breites Spektrum an Beschwerdegründen und wird vom Werberat anhand seiner „Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation“ beurteilt.

Die ‚Diskriminierung von Personengruppen‘ fiel 2021 von Position zwei auf drei. 2020 hatte sich die Debatte um die Black Lives Matter-Bewegung in der erhöhten Anzahl von Beschwerden beim Werberat widergespiegelt und war mit einer höheren Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für Werbesujets, die verschiedene Ethnien abbildeten, einhergegangen. 2021 verringerte sich die Fallzahl auf 46 Fälle zu 66 in 2020.

An vierter Stelle und damit ungewöhnlich weit oben in der Statistik standen Beschwerden zum Werberats-Lebensmittelkodex. Diese Kategorie wurde von zwei Massenbeschwerden einer Kampagnenorganisation zahlenmäßig in die Höhe getrieben: 33 Beschwerden im Jahr 2021 zu einer in 2020. Die vorgebrachten Beschwerden der Organisation wurden allerdings als unbegründet zurückgewiesen (30 von 31 Fälle). In einem Fall wurde die Werbung geändert, nachdem das Unternehmen vom Werberat zur Stellungnahme aufgefordert worden war.

Kritisierte Werbung nach Werbemitteln

Die höchste Beschwerdezahl bei den Werbemitteln verzeichnet der Werberat seit einigen Jahren bei der Online-Werbung. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass durch die Nutzung von Smartphones eine Beschwerde über digitale Werbung sofort an den Werberat weitergeleitet werden kann. Über 156 Fälle der Online-Werbung – darunter fallen Soziale Netzwerke/Plattformen, unternehmenseigene Internetseiten, Video-Werbung, Display-Werbung und Mobile- bzw. App-Werbung - entschied der Werberat 2021. Mit 103 Fällen folgte TV-Werbung vor der Plakatwerbung mit 82.